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Freundinnen wie diese - Koslow, S: Freundinnen wie diese

Freundinnen wie diese - Koslow, S: Freundinnen wie diese

Titel: Freundinnen wie diese - Koslow, S: Freundinnen wie diese
Autoren: Sally Koslow
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einbogen, eine Straße mit kahlen Bäumen und vereinzelten, mit schweren Schlössern an Straßenlaternen angeketteten Fahrrädern. »Mir gefällt diese Gegend hier. Aus dem Brownstone-Haus da drüben könnte doch ebenso gut gerade Edith Wharton kommen.« Talia stellte sich Edith immer groß und schön vor; auch wenn Fotos, die sie später von ihr sehen würde, anderes vermuten ließen. Weil ihr Liebesleben zurzeit brachlag   – Talias Freund Tom studierte in Oxford   –, hatte sie sich ganz auf ihren Studienabschluss in Englischer Literatur gestürzt und Chloe immer wieder Edith Whartons ›Zeit der Unschuld‹ ans Herz gelegt. Doch Chloe war Mary Higgins Clark treu geblieben.
    An der Ecke West End Avenue blieben die beiden stehen. Eine Brise, die den feuchten Novemberdunst des Hudson River herantrug, wirbelte trotz des wollenen Stirnbandes Chloesfeines blondes Haar auf. Sie zeigte über die Straße. »Das da ist es«, sagte sie. Das Erdgeschoss und die ersten fünf Stockwerke des Hauses waren aus rußgeschwärztem Kalkstein, der obere Teil jedoch aus rotem Backstein und verziert mit Wasserspeiern, deren Fratzen Chloe mit ebenso düsterem Blick erwiderte. Die beiden gingen auf den Eingang zu und mussten eine schwere Holztür aufstoßen. Der Terrazzoboden in der Eingangshalle war zur Farbe schmutzigen Regenwassers verblasst, und in einiger Entfernung stand ein Tisch, auf dem nicht nur bunte Flyer von Lebensmittelläden lagen, sondern auch der Kopf eines Mannes in Uniform mit jeder Menge Pomade im Haar. Es roch nach abgestandenem Zigarrenrauch und frischer Salami.
    »Wow, ein Gebäude mit ›Pförtner‹«, flüsterte Talia.
    Chloe trat an den Tisch und räusperte sich. Ein tiefes Schnarchen war die Antwort.
    »Lass uns einfach rauffahren«, sagte Talia lautlos, wies mit einem Kopfnicken auf den Aufzug und drückte den Knopf. Minuten vergingen, ehe sich die Tür öffnete. Als sie im zehnten Stock waren, klingelte Chloe an der entsprechenden Wohnungstür. Sie klingelte noch zwei weitere Male, klopfte laut, und als sie merkte, dass sie rot anlief, zuckte sie schließlich verlegen die Achseln. »Ich hätte wohl vorher anrufen sollen. Ist wahrscheinlich schon vermietet.« Sie biss sich auf die Unterlippe. »Tut mir leid.«
    »Jetzt haben wir uns schon hier rausgeschleppt«, sagte Talia. »Komm, wir rufen ihn an.«
    Chloe ging auf Talias Vorschlag ein, wie sie es noch so oft tun würde in den kommenden Jahren, und folgte ihr auf die West End Avenue hinaus.
    Die beiden liefen gerade auf ein Münztelefon zu, als eine große Frau mit rotblondem, kurzem Haar den Immobilienteil der ›New York Times‹ in Chloes Hand sah und sie anhielt. »Entschuldigung«, sagte sie. »Seid ihr wegen 10-B hier?«
    »Kennst du den Besitzer?«, fragte Chloe zurück. Dieser Quincy Peterson, Absolvent der Columbia University, war wirklich ein Glückspilz, dachte sie, wenn er nicht nur eine riesengroße Wohnung hatte, sondern auch noch eine Freundin mit schmalen Hüften und so hohen, edlen Wangenknochen, wie Chloe sie sich statt ihrer weichen, runden Gesichtszüge schon immer gewünscht hatte.
    »Ich bin Quincy. Die Wohnung gehört mir zwar nicht, aber ich habe erst vor Kurzem einen Mietvertrag über drei Jahre unterschrieben.« Sie hielt eine orange-weiße Einkaufstüte hoch. »War nur eben ein paar Snacks holen«, erklärte sie lächelnd, wobei sich eine kleine Zahnlücke zwischen ihren Schneidezähnen zeigte.
    »Wir mögen dich jetzt schon«, sagte Talia grinsend und streckte die Hand aus.
    Quincy fielen ihre ellenbogenlangen Handschuhe auf. Etwa eine Schauspielerin? Kellnerin? Na, hoffentlich nicht.
    »Talia Fisher.«
    »Chloe McKenzie, freut mich.« Chloes Wangen waren fast so pinkfarben wie ihr Rollkragenpullover und ihre Stimme viel zu hoch.
    Quincy nahm die Tüte in die andere Hand. »Ihr beide seid meine ersten Interessenten dieses Wochenende.« Zu dritt gingen sie wieder ins Haus hinein. »
Buenas tardes,
Jorge.«
    »Brauchen Sie Hilfe mit Ihren Einkäufen, Missus Quincy?« Der Pförtner erhob sich zu seiner vollen Größe von etwa 1,70   Meter.
    »Nein, geht schon,
gracias
.« Der Aufzug kam sofort, so als hätte er Quincy schon erwartet. Im zehnten Stock schloss sie drei Schlösser auf, und strahlendes Sonnenlicht blendete Talia und Chloe, als sie in ein geräumiges, aber leeres Foyer traten. Quincy stellte ihre Einkaufstüte auf dem alten abgewetzten Parkettboden ab. »Nehmt die Mäntel mit«, sagte sie, als gäbe es gar keine
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