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Frettnapf: Roman

Frettnapf: Roman

Titel: Frettnapf: Roman
Autoren: Murmel Clausen
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Bestimmer sein. Ich hatte es endlich mal geschafft, alle anderen abzuhängen, freute mich auf meine Zeit als Bestimmer und hatte auch schon ein paar tolle Idee, was ich bestimmen würde: Es dürfte nur mein bester Freund Sakis mit mir ganz oben stehen, die anderen Kinder müssten dann um den Hügel als Wachen aufpassen, dass nichts passiert. Doch kaum stand Sakis neben mir, kam ganz gegen meine Bestimmung auch Kai den Berg herauf, weil Sakis bestimmt hatte, dass er sein neuer bester Freund war und an seiner Seite kämpfen sollte. Dass ich der erste Bestimmer war, galt offenbar nichts, ebenso wenig, dass ich als Erster Sakis bester Freund gewesen war. Kai war fortan mein größter Feind, Sakis nicht mehr mein Freund und ich für den Rest meiner Tage Freundschaften gegenüber höchst skeptisch.
    Auf meine Erklärung, dass mein Trauzeuge eine Überraschung werden soll, bemüht sich Jessi, nicht enttäuscht zu reagieren. Sie geht sogar so weit, Neugier vorzutäuschen, hakt nach, für wen ich mich denn entschieden haben könnte. Da sie jedoch keine besonderen Freunde aus meiner Vergangenheit kennt, wird aus der angestrebten angenehmen Suspense eher ein angespanntes Schweigen. Ich empfinde höchstes Unbehagen, schließlich weiß ich, wie wichtig ihr die Hochzeit ist, spüre, wie wichtig sie mir sein sollte, und verachte mich für meine Unfähigkeit, nicht mehr Enthusiasmus für den (meiner Meinung nach vielleicht, ihrer Meinung nach sicher) wichtigsten Tag meines Lebens entwickeln zu können. Ich freue mich zwar wahnsinnig darauf, bin aber trotzdem wie gelähmt, ein Zustand, den ich sonst nur von mir kenne, wenn es um Arbeit geht. Und auf die freue ich mich sicherlich nie so sehr. Ich stecke in einem Loch aus Selbstfrust, das von Jahr zu Jahr größer wird, schwimme in einem See der Selbstunzufriedenheit, kein Land in Sicht.
    » Ich hab in den letzten Tagen auch nachgedacht«, beginne ich daher, » und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich dich wirklich verstehen kann.«
    » Wie jetzt?«
    » Deine Zweifel.«
    » Was denn für Zweifel?«
    » Na, an mir. Deine Angst, deine berechtige Angst davor, mit einem wie mir durchs Leben zu gehen.«
    Jessi mustert mich leicht irritiert und schlägt dann vor, das in der Küche zu besprechen. Ich fühle mich ebenfalls etwas verunsichert, denn Küchen sind einer der Orte, an denen man sich trennt, wenn man vernünftig ist und die Trennung wohlüberlegt geschieht. Nicht umsonst ist eins der beliebtesten Beziehungsdelikte das gute alte Messer in Bauch, Brust oder Birne. Jessi hatte zwei Tage Zeit, sich über uns Gedanken zu machen, jetzt werde ich wohl mit dem Ergebnis konfrontiert und spüre schon, wie sich mein Magen zusammenzieht.
    Um ihr zuvorzukommen, eröffne ich den Showdown mit der Zusicherung, dass ich zuverlässig sein kann. Ja, ich habe mich in den letzten Monaten etwas gehen lassen, eigentlich in den letzten Jahren. Ich kann ihr nicht genau sagen, wie und wovon wir in fünf Jahren leben werden, denn ich befinde mich beruflich in einer Sackgasse. Insofern kann ich verstehen, wenn sie Schwierigkeiten hat, sich auf mich zu verlassen. Wie man am Trauzeugenbeispiel erkennen kann, mache ich es ihr ja auch extrem schwer. Aber, und darauf kommt es doch an, ich kann mich in Mister Zuverlässig verwandeln, wenn sie das von mir verlangt. Keine Ablenkungen mehr, sondern volle Konzentration auf uns, auf die Arbeit, auf die Zukunft. Ich schwöre, gelobe, beteuere. Dass ich die nötige Selbstdisziplin habe, mich zu ändern, habe ich ihr schließlich schon bewiesen, indem ich in den vergangenen vier Monaten weder geraucht noch getrunken habe. Bis auf ab und zu mal ein Bier oder eine geschnorrte Kippe, was ich ihr gegenüber nicht erwähnenswert fand. Bis heute. Jetzt muss alles auf den Tisch, beschließe ich, und beichte im gleichen Atemzug auch noch meinen Komplettabsturz mit Sven.
    Doch damit will ich nun Schluss machen, erkläre ich, muss nur noch meinen Fokus finden. Obwohl ich merke, dass ich in Worthülsen abgleite und mir Jessi nicht mehr so richtig folgt, schwöre ich, dass es bei mir klick gemacht hat und ich sicherlich bald finden werde, was ich schon immer machen wollte und für immer machen kann. Ich stehe vor meiner Reinkarnation als Vater, Familienmensch, Versorger. Einzig den Termin, zu dem mich der Geschäftsführer von Hip FM am Freitag eingeladen hat, enthalte ich ihr vor, um einem eventuellen Scheitern dort und der damit verbundenen neuen potenziellen Krise vorzubeugen.
    Als
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