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Fremde Wasser

Fremde Wasser

Titel: Fremde Wasser
Autoren: Wolfgang Schorlau
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nicht hoch zu sein. Ausbildung. Lehrgänge in Toxikologie, Pharmazie, das Neueste auf dem Gebiet militärisch
     nutzbarer Medizin. Ein halbes Jahr in der Wüste Nevada.
    Und die Aufträge zwischendurch waren harmlos: eine Zahnpasta präparieren zum Beispiel. Ich musste sie noch nicht einmal hinbringen
     oder wieder abholen, nachdem sie benutzt worden war. Aus dieser Zeit stammt meine Bekanntschaft mit Ben. Ben ist der Türöffner.
     Im wahrsten Sinn des Wortes. Ben macht mir die Tür auf, und ich erledige meinen Job. Manchmal denke ich darüber nach, was
     in ihm wohl vorgeht. Er öffnet die Tür, und kurz danach stirbt der Bewohner dieser Wohnung. Immer eines natürlichen Todes.
     Wir reden nie über unsere Einsätze. Natürlich ist es wichtig, dass wir schweigen können. Ich verpfeife ihn ja auch nicht.
     Auch nicht auf diesen Videofilmen, die übrig bleiben werden, wenn mir einmal etwas zustößt.
    Dann kamen die ernsten Einsätze. Der Auftrag lautet immer gleich: Leg diese oder jene Person um, ohne dass es wie Mord aussieht.
     Das kann ich mittlerweile. Perfekt. Manchmal sage ich zu mir selbst: Du bist ein Killer. Ein Auftragskiller. Wie sich das
     anhört! Aber es gibt keine Resonanz auf diesen Satz. Aus meinem Innern, meine ich. Keine Empörung. Ich fühle mich gar nicht
     angesprochen, wenn ich das sage. Vielmehr ist da ein ungläubiges Staunen. Aber wenn ich zu mir selbst sage, du bist ein Dienstleister.
     Ein Ein-Mann-Serviceunternehmen. Dann regt sich etwas in meinem Inneren. Eine Wärme steigt dann in mir auf. Ich bin ein Dienstleister.
     Das gefällt mir. Auf meinem Gebiet bin ich perfekt. Ich töte auf Bestellung und immer, wirklich immer, hat es so ausgesehen,
     als wären die Opfer eines natürlichen Todes gestorben.Ich bin ein Spezialist.
    Ein Profi.
    Aber ich lasse mich nicht erpressen. Ich entscheide, welche Aufträge ich annehme.
    Auch ich habe ein Ethos.
    Ich habe mir alle Filme mit Killern angesehen. Ich las alle Romane, in denen welche vorkommen. Der Tokio-Killer gefiel mir,
     ein Typ mit Grundsätzen. Keine Frauen und keine Kinder. Ich wollte, ich könnte das so auch machen. Keine Frauen? Mich haben
     sie immer noch am Wickel. Ich kann jederzeit wieder eingelocht werden. Aber einen Grundsatz werde ich nicht aufgeben: Nie
     würde ich ein Kind töten. Da bin ich altmodisch.
    Und natürlich lege ich großen Wert auf Diskretion. Ich will nicht wissen, wer den Auftrag gibt. Ich will auch nicht, dass
     der Auftraggeber weiß, wer ich bin. Diskretion gehört zum Geschäft. Auf beiden Seiten.
    Aber diesmal ist etwas schiefgelaufen ...«

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    Schlechte Laune
    Georg Dengler erwachte, und das Erste, was er bemerkte, war seine schlechte Laune.
    Er dachte darüber nach. Noch hatte sein Wecker nicht geklingelt. Er war wach, aber hielt seine Augen geschlossen, als wollte
     er sich und die Welt vor seiner Stimmung bewahren. Ein Gefühl tiefer Sinnlosigkeit überfiel ihn; dies befremdete und ängstigte
     ihn zugleich.
    Ich habe keinen Grund, schlecht gelaunt zu sein, dachte er.
    Die harten Zeiten ohne Geld und Aufträge liegen hinter mir. Langsam arbeite ich mich nach vorne. Ich habe eine wunderschöne
     Freundin.
    Er dachte an Olga. Die schlechte Laune zog sich in sein Inneres zurück, ohne wirklich zu verfliegen. Nicht mehr als ein taktischer
     Rückzug. Vielleicht sollte er sich einen Ratgeber über positives Denken zulegen. Aber diesen Gedanken verwarf er sogleich
     wieder, er ärgerte sich sogar darüber, dass ihm so etwas überhaupt in den Sinn gekommen war. Und die schlechte Laune besetzte
     sofort wieder das eben erst aufgegebene Terrain.
    Widerwillig zwang er sich, die Augen zu öffnen. Er schaute zum Fenster. Draußen schneite es. Im März! Es war grau und kalt.
    Steifbeinig stapfte er ins Bad und beschloss, die allmorgendlichen Liegestützen ausfallen zu lassen. Bei schlechter Laune
     keine Liegestützen mehr. Und keine Musik. Kein Blues würde ihn heute Morgen aufheitern. Den Blues hatte er selbst.
    Auch die heiße Dusche verbesserte seine Stimmung nicht. Er trocknete sich ab, beschloss, sich heute nicht zu rasieren, fuhr
     sich mit den Händen durchs Haar, zog die Jeans vom Vortag an, ein neues T-Shirt und darüber einen dicken schwarzen Pullover
     und zwängte sich in sein blaues Jackett.Kurze Zeit später bestellte er bei Brenners Bistro seinen ersten doppelten Espresso.
    Seine Laune verschlechterte sich noch mehr, als er bemerkte, dass sowohl die Süddeutsche als auch die beiden
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