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Freiheit statt Kapitalismus

Freiheit statt Kapitalismus

Titel: Freiheit statt Kapitalismus
Autoren: Sahra Wagenknecht
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Genau darin bestünde aber ihre Verantwortung.
     
    Wer Schulden streicht, wird unvermeidlich auch Vermögen vernichten. Die entscheidende Frage ist:
wessen
Vermögen? Eine besonders freche Verdrehung der Realität steckt hinter der These, dass wir mit den Staatsschulden in Wahrheit unser aller Geldvermögen retten. In Wahrheit hat die untere Hälfte der Bevölkerung in Deutschland und Europa überhaupt kein relevantes Geldvermögen. Sie zahlt also nur und gewinnt gar nichts. Viele aus der oberen Hälfte haben kleine Vermögen: Sparguthaben, Riesterkonten, Lebensversicherungen. Dieses Vermögen ist tatsächlich bedroht, wenn alles weitergeht wie bisher, denn dann wird es irgendwann einen unkontrollierten Währungscrash geben. Eine kontrollierte Entschuldung der Euroländer dagegen muss –und sollte – keinen von ihnen treffen. Denn es gibt wenige, die mehr als genug besitzen, um für die anfallenden Verluste aufzukommen.
    In Deutschland verfügten 2010 allein 829.900 Millionäre über ein Geldvermögen von zusammen 2,2 Billionen Euro. Mittlerweile dürfte es noch mehr geworden sein. Die Gesamtverschuldung von Bund, Ländern und Kommunen liegt bei 2 Billionen Euro. Auf europäischer Ebene sind die Verhältnisse ähnlich. Die reiche Oberschicht allein besitzt mehr Vermögen, als die Staaten an Schulden aufgetürmt haben. Das Prinzip der Haftung besagt, dass, wer den Nutzen hatte, auch den Schaden tragen soll. Die Oberschicht verdankt ihr rasantes Vermögenswachstum eben jener neoliberalen Agenda, die auch die Schulden der Staaten eskalieren ließ. Es ist nur legitim, sie mit ihrem Vermögen jetzt auch für die Konsequenzen haften zu lassen. Wenn einem Vermögen keine ausreichende Wertschöpfung, sondern ein Berg fauler Kredite gegenübersteht, dann hatte das Vermögen ohnehin nie den Wert, der ihm zugeschrieben wurde. Seine Entwertung ist ebenso konsequent wie die der Schulden.
    Zentralbankkredite statt Bankenmacht
    Wer finanziert dann die staatlichen Defizite der Zukunft? Tatsächlich war das in der Geschichte nach Schuldenstreichungen nie ein dauerhaftes Problem. Und noch wichtiger: Mit einer koordinierten Steuerpolitik und einer Streichung der Altschulden würden viele Euroländer gar keine roten Zahlen mehr schreiben. Es wären also gar keine Defizite mehr da, die finanziert werden müssten. Trotz Steuerdumping wiesen die meisten Eurostaaten zwischen 2000 und 2008 einen sogenannten Primärüberschuss aus. Die Einnahmen waren also höher als die Ausgaben, nur die Zinszahlungen haben den öffentlichen Saldo ins Negative gekippt. Erst die Krise hat die meisten Staaten in reale Defizite getrieben.
     
    Es gibt einen einfachen Weg, öffentliche Defizite zu finanzieren, ohne die Demokratie erneut den Diktaten der Banker auszuliefern: Man muss der Europäischen Zentralbank nur gestatten, das zu tun, wofür Zentralbanken einst gegründet wurden: den Staaten Kredit zu geben.
     
    Das heutige Geldsystem ist paradox und widersinnig. Die Europäische Zentralbank ist eine öffentliche Institution. Ihr ist erlaubt, was allenanderen verboten ist: Geld zu drucken. Gegenwärtig druckt sie so viel Geld wie noch nie. Die genaue Menge bestimmen die Banken, die sich dieses Geld bei ihr in beliebiger Größenordnung leihen dürfen und dafür einen vernachlässigbar geringen Zinssatz zahlen. So haben sie sich an einem Tag kurz vor Weihnachten 2011 den gewaltigen Betrag von 500 Milliarden Euro für drei Jahre zu einem Zinssatz von nur 1 Prozent geliehen.
    Aber die Europäische Zentralbank braucht keine heiligen Feiertage, um für die Banken den Weihnachtsmann zu spielen. Ende Februar 2012 gab es noch einmal über 500 Milliarden Euro fast geschenkt. Und das wird nicht die letzte diesbezügliche Aktion der EZB gewesen sein. Mit diesen Milliarden dürfen die Banken machen, was sie wollen: spekulieren, Aktien oder Rohstoff-Futures kaufen, oder auch in Staatsanleihen investieren.
    Die Staaten selbst dagegen dürfen sich bei ihrer Zentralbank kein Geld leihen. Nicht nur keine 500 Milliarden, nicht einmal bescheidene Beträge. Beim aktuellen Sparprogramm in Griechenland geht es um 3,3 Milliarden Euro, die unter schlimmsten Schmerzen aus dem Land herausgepresst werden. Wenn die Deutsche Bank 3,3 Milliarden braucht, muss sie sich noch nicht einmal die Boni ihrer Manager sparen. Sie geht einfach zur EZB, verpfändet ein paar halbseidene Papiere und bekommt das Geld fast umsonst. Auch die griechischen Banken dürfen das. Nur der griechische Staat
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