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Freiflug (Die Ratte des Warlords II) (German Edition)

Freiflug (Die Ratte des Warlords II) (German Edition)

Titel: Freiflug (Die Ratte des Warlords II) (German Edition)
Autoren: Johann Löwen
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erfüllte ihn mit etwas Zuversicht. Und immerhin war er am Leben. Es könnte sogar gut werden.

4. Je mehr Zeit verging, desto deutlicher spürte Kepler, dass die Liebe seines Bruders zu ihm mit der Abneigung rang. Er nahm es Jens nicht übel, aber er wollte dessen vorwurfsvollen Blick nicht ständig ertragen müssen, weil Kepler keine Reue wegen seines Tuns in Afrika zeigte. Und weil Jens fast jeden Tag bei Oma war, und wenn nur für eine halbe Stunde, wollte Kepler für Abstand sorgen. Wegen Melissa machte er es zielstrebiger.
    Aber er wollte etwas haben, das ihm richtig gefiel, damit er nicht nach zwei Monaten etwas anderes suchte. Sein Problem war, dass er nicht genau wusste, was er brauchte, damit sich dieses Gefühl einstellte. In Steinfurt und Umgebung fühlte er sich wie auf einem Präsentierteller. Die Stadt war ihm zu bekannt, hier hatte er bei keiner Wohnung ein stimmiges Gefühl. Er vermisste Afrika. Ihm fehlten der Dschungel und die Savanne, ihre Abgeschiedenheit und ihre Geräuschkulisse, und das Gefühl, frei zu sein. Dort konnte man für sich allein sein, obwohl die Umgebung um einen herum voll mit Leben war.
    Vielleicht weil Katrin dort gelebt hatte, fuhr er aufs Geratewohl nach Kiel.
    Diese Stadt war vom Meer geprägt , und dessen endlose Weite zog Kepler irgendwie magisch an. Er fuhr nicht in die Innenstadt, sondern parkte den Wagen unweit der Kieler Förde und ging in Richtung der Außenförde, dem Übergang in die Kieler Bucht, weiter.
    Die Portalkräne von HDW verschoben ihre Lasten über dem halbfertigen Körper eines im Bau befindlichen Schiffsprototyps, und Kepler sah ihnen eine Zeitlang zu. Dann ging er weiter, bis er am Leuchtturm angelangt war. Vor dem weiß-roten Gebäude blieb er stehen und sah sich um. In seinem Innern wisperte es undefinierbar. Er ging zurück und bog zum Hafen ab.
    A n den Kais lagen Fährschiffe und ein AIDA-Kreuzfahrtdampfer. Als Kepler an ihnen vorbeiging, stiegen in ihm die Erinnerungen an Mombasa hoch.
    Es war noch keine zwei Monate her, dass er dort gewesen war, aber es kam ihm vor, als wäre das alles in einem anderen Leben passiert.
    Aber es war auch ein anderes Leben gewesen. Im kenianischen Hafen, der bei weitem nicht so sauber und ordentlich gewesen war, hatte er sich lebendig gefühlt. Trotz der Tatsache, dass er auf der Flucht war, dass ihm der Tod im Nacken saß und er nicht wusste, ob er es je nach Hause schaffen würde.
    Nun war er nicht mehr in Afrika. Er war nicht in Gefahr. Er konnte ein unbeschwertes Leben genießen. Nur – er fühlte sich nicht zu Hause.
    Zeit war vergangen, mehr nicht.
    Kepler überlegte, wie sein Leben weitergehen könnte – oder sollte, und welche Rolle Melissa darin hatte, und ob er mit ihr das Gefühl wiederfinden könnte, richtig zu leben. Aber er fand keine Antwort darauf.
    Der Kieler Hafen schlug nur wenige Waren um, er war fast nur für den Fäh rverkehr von Bedeutung. Deswegen lag auch nur ein einziges Containerschiff hier, abseits, als ob sich dieses Arbeitstier scheuen würde, neben seinen glitzernden Brüdern zu liegen, die Menschen beförderten.
    Beim schwachen Duft des salzigen Wassers und beim Anblick des Ozeanriesen verspürte Kepler eine unendliche Rastlosigkeit. Sie zerrte an ihm, plötzlich wollte er auf diesem Schiff sein und wegfahren. Es war nicht das Fernweh. Katrin hatte Recht gehabt. Afrika ließ nicht los und er wollte dorthin zurück.
    E r verharrte am Wegrand und starrte entrückt auf das Wasser. Sein Atem ging ruhig, sein Kopf war frei und leer. In solchem Zustand, einer Art loser Konzentration wie im Wachschlaf, hatte er früher auf ein Ziel gelauert. Er stand da und vermisste die Stunden, die er so mit dem Gewehr verbracht hatte.
    Ein andere r Containerfrachter fuhr majestätisch langsam an ihm vorbei. Das Horn des Schiffs heulte kurz auf, als der Ozeanriese sich aus dem Hafen verabschiedete. Unwillkürlich riss Kepler den Arm zum Gruß hoch. Einige Passanten sahen ihn im Vorbeieilen verwundert an, aber ihm war es egal, sein Blick war auf das sich langsam entfernende Schiff gerichtet. So unsinnig es war, ihm kam es vor, als ob zusammen mit dem Schiff sich auch eine Chance entfernen würde.
    So wie der Airbus damals Katrin mitgenommen hatte. Kepler wusste, dass er weder sie noch Afrika nicht nur niemals vergessen konnte – er würde sie beide immer vermissen.
    Trotz Melissa. Kepler hoffte, dass es möglichst bald anders werden würde, dass die keimende Beziehung zu ihr eine Chance war, damit sein
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