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FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter

FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter

Titel: FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter
Autoren: Siegfried Wittwer
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Lieben Frauen. Eines dieser Häuser war die Druckerei des Hünen gewesen. So hatte Georg Ackermann am frühen Morgen seinen Schatz bergen und ins Lager bringen können. Trotzdem ließ er das Haus wieder durch eine Wachmannschaft vor Plünderern schützen.
    Nachdem das Feuer weitgehend erloschen war, kehrten nämlich Tillys Söldner in großen Scharen in die Stadt zurück. Sie waren darüber verärgert, dass viele Kostbarkeiten den Flammen zum Opfer gefallen waren. Deshalb gruben sie gierig in den niedergebrannten Ruinen nach Edelmetall und anderen Dingen, die dem Feuer standgehalten hatten.
    Meistens wurden sie in den Kellern der Häuser fündig. Viele Magdeburger hatten sich vor der Belagerung reichlich mit Lebensmittelvorräten eingedeckt: Würste, Butter, Speck, sauer eingelegtes Gemüse, getrocknete Früchte, Getreide und Fässer mit Bier und Wein. Dazu auch Kleidung und Schmuck, die wegen der Feuerkugeln in den Keller in Sicherheit gebracht worden waren. Alles wurde von den Söldnern mit lachenden Gesichtern geborgen und ins Lager geschleppt. Endlich war die Zeit des Hungers und der Entbehrungen vorbei! Endlich wieder einen vollen Bauch haben und es sich beim Wein einmal gut gehen lassen!
    Doch in vielen Kellern und Häusern bot sich den Plünderern ein grausiges Bild: Männer, Frauen und Kinder, die im Rauch erstickt oder vom Feuer verkohlt waren – Hunderte, Tausende von Leichen. Dazu die Erschlagenen, Geschändeten und Erwürgten, die in den Gassen der Stadt lagen. Schon bald machte die Nachricht die Runde, dass wohl zwei Drittel aller Magdeburger tot waren – zwanzigtausend Menschen, die das Feuer oder das Schwert gefressen hatte.
    Als Georg Ackermann diese Nachricht erreichte, war er tief betroffen.
    Was für ein Leid, das sie angerichtet hatten! Tausendfaches Entsetzen, tausendfache Tränen, Schreie und schreckliche Qualen, ehe der Tod die Augen dieser Menschen für immer geschlossen hatte! Nein! Er konnte, er wollte dabei nicht länger mitmachen!
    Unter großem Gejohle schleppten einige Söldner den Administrator des Erzstiftes Christian Wilhelm vorbei. Sein rechtes Bein war verbunden, und auch am Kopf blutete er von einem Streifschuss.
    »Das gibt ein fettes Lösegeld«, lachte einer der Männer roh und stieß dem Administrator den Lauf seiner Muskete in den Leib. Christian Wilhelm stöhnte auf und krümmte sich vor Schmerzen.
    »Behandelt den Mann anständig, wie es einem adeligen Kriegsgefangenen gebührt!«, rief Georg Ackermann den Söldnern zu.
    Doch einer von denen antwortete nur: »Der kann doch froh sein, dass er überhaupt noch lebt. Viele der gefangenen Stadtsoldaten sind von den Wallonen und Kroaten auf dem Weg hierher niedergemacht worden, weil sie kein Lösegeld zahlen konnten.«
    Dann zogen die Männer weiter.
    Christian Wilhelm sollte nicht der Einzige sein, der Tillys Soldaten lebend in die Hände gefallen war, wie Georg Ackermann später feststellen konnte. Auch einige Offiziere wie Carl Cuno von Amsterroth, Obrist Ußlar oder Leutnant Broy waren gefangen genommen worden, ebenso wie die Bürgermeister Kühlewein, Schmidt und Westphal und auch einige Ratsherren. Andere waren erschlagen worden oder in ihren Häusern verbrannt. Im Ganzen hatte man vierhundert Bürger zusammen mit ihren Frauen und Kindern gefangen genommen und ins Lager gebracht.
    Georg Ackermann trieb es wieder zurück in die feuergeschwärzte Stadt. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass das Haus des Druckermeisters nicht geplündert worden war und weiter gut bewacht wurde, kontrollierte er auch die Wachen am Dom. Die Eingeschlossenen waren still geworden. Nur selten hörte man das Jammern eines Kindes oder das Weinen einer Frau.
    Wahrscheinlich waren manche vor Erschöpfung eingeschlafen oder brüteten dumpf vor sich hin. Sie wussten ja nicht, was hier draußen geschehen war, wie viele ihrer Bekannten, Freunde und Angehörigen erschlagen oder verbrannt in den Gassen lagen. Sie ahnten nur Schreckliches, weil sie von den Kirchtürmen aus den Brand der Stadt miterlebt hatten. Und sie hatten sicherlich furchtbare Angst – Angst vor der Wahrheit und Angst vor dem eigenen Schicksal.
    Ob auch die Tochter des Hünen im Dom Zuflucht gesucht hatte?, fragte sich Georg Ackermann unvermittelt. Der Gedanke trieb alle Müdigkeit aus seinem Kopf. Mit einem Mal war er hellwach. Sie hatte ja nahe genug am Dom gewohnt. Möglich wäre es also gewesen, das sie im Gotteshaus Schutz gesucht hatte.
    Plötzlich trieb es ihn zurück zum Haus
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