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Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)

Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)

Titel: Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)
Autoren: Hera Lind
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davon Mitteilung.
    Tante Lilli, sagte ich vorsichtig. Paul ist zugegebenermaßen kein Kind der Liebe, sondern ein Kind der Triebe.
    Hahaha, grunzte der Schweinehund begeistert Beifall und klatschte in die Vorderpfoten. Genau! Gib’s ihr! Schock sie!
    Jetzt sagt sie nichts mehr vom Band der Ehe und vom gediegenen Füreinander!
    Doch Tante Lilli gab sich nicht geschlagen.
    Kind, sagte sie. Wenn es denn schon passiert ist, dann halt dich doch vornehm zurück! Dass du auch immer alles ausplaudern musst! Ein feines Mädchen schweigt über seine Schande!
    Denk doch mal ein bisschen weiter! In zwanzig Jahren fragt kein Mensch mehr danach, ob Liebe im Spiel war oder nicht. Aber der Junge hat einen Vater, und das allein zählt! Und du, Kind, nimm’s mir nicht übel, aber du solltest auch sehen, dass du einen Mann kriegst! Schließlich gehst du auf die dreißig zu!
    Aha, sagte ich nachdenklich. Das war mal wieder ganz typisch Tante Lilli. Die mit ihrer geradezu umwerfend überzeugenden Argumentationsweise. Gegen ihre Lebenserfahrung konnte ich einfach nicht anstinken.
    Eine Frau darf auch mit dreißig noch ein bisschen Spaß haben, kläffte der Schweinehund.
    Aber nicht, wenn sie die Verantwortung für ein Kind hat, sagte Tante Lilli spitz.
    Ich solle mir doch nur mal vorstellen, regte sie an, wie mein Leben in zwanzig Jahren sein würde: Die Diva hat ausgesungen, keine Fans säumen mehr die Kirchentür, Paulchen ist längst mit einer Freundin auf und davon, und ich, Diva a. D., sitze mit meinen vergilbten Zeitungskritiken und vermoderten Programmheftchen in meiner Sozialwohnung und schaue versonnen auf die verstaubten Plakate an der Wand, die von fernem Ruhm und Erfolg künden …
    Und jetzt mal das ganze MIT Klaus Klett! rief Tante Lilli aufmunternd. Diva, die Zweite!
    Die Diva lehnt im geschickt kaschierenden Nerz, Größe 48, über dem Flügel und erteilt der akademisch vorbelasteten, wenn auch unmusikalischen Nachkommenschaft Unterricht!
    Herr Professor Doktor sitzt entspannt im schweinsledernen Fernsehsessel und genießt erfreut die jugendlichen Damen, die artig glockenreine Tonleitern zwitschern! Jawohl, Frau Frohmuth-Klett! Meine Mutter lässt Sie und Ihren Herrn Gatten auch schön grüßen und lässt anfragen, ob Sie am nächsten Ersten zu einer Opernpremiere erscheinen werden? Man ist so gespannt auf Ihre fachkundige Meinung!
    Der Herr Doktor lächelt jovial und sagt, liebes Fräulein von Sowieso, meine Gattin ist dermaßen beschäftigt, dass ich erst mal unseren Terminkalender befragen muss! Am nächsten Ersten sind wir auf dem Mittelmeerkreuzer »Europa«, wo meine Frau zur Mitternachtssuppe die Arien von Penelope singen wird!
    Na? frohlockte Tante Lilli. Ist das nichts?
    Kleinlaut versprach ich, darüber nachzudenken.
    Am späteren Vormittag kam Helmut, mein Freund mit der Krötensammlung. Er brachte ein giftgrünes Lätzchen, einen Strauß Gladiolen und von seiner Mutter schlesischen Streuselkuchen, damit ich wieder zu Kräften käme. Milchreis wäre mir lieber gewesen.
    Nachdem er Weihrauch, Myrrhe und Gold auf das Fußende meines Bettes gelegt hatte, blieb er verlegen stehen.
    »Wo ist denn das … Baby?«, fragte er schließlich.
    »Hier«, sagte ich und lüftete die Bettdecke. Helmut starrte verschreckt auf meinen überdimensionalen Busen, der sich soeben auf seine neue Funktion eingestellt und ein dreifaches Ausmaß angenommen hatte. Darunter verschwand fast völlig das Köpfchen meines nach wie vor schlafenden Söhnchens Paul.
    »Ach«, sagte Helmut und schluckte. »Es trinkt gar nicht!«
    »Zu schlapp, der Kerl«, sagte ich fachmännisch. »Die Hitze macht ihm zu schaffen!«
    Dann ließ ich ihn wieder im Schatten meines Busens verschwinden.
    Helmut holte sich einen Hocker, setzte sich in die hinterste Ecke des Raumes und schwieg mich erwartungsvoll an. Ich überlegte, ob ich ihm die ganze dramatische Geburt in allen unappetitlichen Einzelheiten schildern sollte, aber ich unterließ es in Anbetracht seines blassen Äußeren.
    »Was wirst du jetzt machen?«, fragte Helmut nach einer Weile.
    »Du meinst, was ich mit meinem verpfuschten Leben jetzt anfangen werde?«, half ich ihm auf die Sprünge.
    Helmut sah verlegen auf den schlecht geputzten Linoleum-Fußboden.
    So habe er das nicht gemeint, sagte er tonlos.
    »Gehst du sofort wieder in deinen Beruf?«, fragte er.
    »Klar«, sagte ich. »Während ich in der Kirche singe, wird das Baby im Pfarrhaus zur Verwahrung abgegeben. Wenn es schreit, lege ich es in
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