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Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)

Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)

Titel: Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)
Autoren: Hera Lind
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der Sakristei an den Busen und lasse die Leute in der Kirche so lange Choräle singen, bis es sein Bäuerchen gemacht hat. Steht doch schon in der Bibel: Lasset die Kindlein zu mir kommen, denn ihrer ist das Himmelreich!«
    Helmut kicherte verlegen. Er war schon immer ein Fan meines eigentümlichen Humors.
    »Aber irgendeiner muss doch auf das Kind aufpassen«, sinnierte er. Er schien sich wirklich tiefere Gedanken gemacht zu haben!
    »Im Moment habe ich gar keine Konzerte«, sagte ich. »Jetzt im August spielt sich sowieso nichts ab. War doch nett von Paul, nicht gerade am Buß- und Bettag zu kommen oder am Palmsonntag!«
    Helmut wusste Bescheid. Das waren die Tage, wo ich mit Sicherheit irgendein sensationelles Engagement im Bergischen oder Hinterschwäbischen haben würde.
    »Also ich werde erst mal selbst mit Paul im Stadtwald die Enten füttern«, sagte ich.
    Helmut machte mich darauf aufmerksam, dass es im Stadtwald auch ein Tiergehege gebe, wo jede Menge Geißböcke, Pfauen und Gänse der Patschhändchen ihrer kleinen Besucher harrten. Er kannte sich mit Tieren aus, der Helmut. Wie gesagt, er züchtete Kröten.
    Wir verabredeten uns für nächste Woche bei den Geißböcken. Paulchen würde seine helle Freude daran haben. Helmut auch. Er freute sich ganz unbändig auf unser Treffen im Stadtwald. Er war wirklich sehr begeisterungsfähig, das mochte ich an ihm.
    »Und sonst? So … privat?« wagte Helmut den indiskreten Vorstoß.
    Wahrscheinlich wollte er wissen, ob ich Klaus Klett zu ehelichen gedächte. Ich beschloss, ihn in meine Gedankengänge einzuweihen. Schließlich war er mein Freund.
    »Klaus Klett hat eine Vierzimmerwohnung für uns alle gemietet«, sagte ich. »Man könnte es ja mal damit versuchen.«
    »Also du heiratest ihn?!«, bedauerte Helmut.
    »Aber nein!«, rief ich. Der Dümmling! Ähnlich beschränkt im Denken wie Tante Lilli war der! Und dabei noch so jung!
    »Helmut«, sagte ich, »in welchem Jahrhundert leben wir denn?«
    »Also wilde Ehe«, sagte Helmut.
    Ich lachte so laut, dass der Säugling unter meinem Busen fast ein Schleudertrauma erlitt.
    »Klar!«, brüllte ich begeistert. »Wild und hemmungslos! Wir wälzen uns lüstern und lärmend durch die Betten, tagein, tagaus! Was werden die Nachbarn von uns denken?! Und es ist nur eine Frage der Zeit, wann Klaus hier rausfliegt aus dieser erzkatholischen Klinik! Wenn das rauskommt! Der Skandal! Sängerin frommer Weisen lebt mit katholischem Klinikarzt in wilder Ehe! Und schiebt noch das Produkt der Schande öffentlich durch das Tiergehege! Armer Paul. Er ist dazu geboren und in die Welt gekommen, um schon von Anfang an zum Gespött der Leute zu werden. Überleg es dir, Helmut, ob du mit mir noch Umgang pflegen willst!«
    Helmut beteuerte, er habe mir nicht zu nahe treten wollen.
    Ich beteuerte, dass er mir ganz sicher noch nie zu nahe getreten sei, das mache auch einen wesentlichen Reiz unserer Freundschaft aus. In letzter Zeit waren mir nämlich verschiedentlich Männer zu nahe getreten, und irgendwie lassen sich solche Peinlichkeiten nicht immer ganz spurlos aus der Welt schaffen.
    Die Tür wurde aufgestoßen, und die türkische Essensbringerin, die niemals anklopfte, knallte das Tablett mit den Köstlichkeiten aus der Krankenhausküche auf meinen Nachttisch.
    »Wollentääoderkaffää!« stieß sie aus.
    Helmut erhob sich hastig. Er wolle nun nicht länger stören.
    Er solle seine Mutter grüßen, rief ich noch hinter ihm her, und vielen Dank für den Streuselkuchen!
    Klaus würde seine helle Freude daran haben.
    Am Nachmittag kam Klaus. Er brachte wieder pfundweise Milchreis, auf den ich seit dem strikt verweigerten Mittagessen sehnsüchtig gewartet hatte. Heißhungrig fiel ich darüber her.
    »Was gab es denn heute Mittag?«, fragte Klaus schmunzelnd.
    »Weiß ich nicht«, sagte ich zwischen zwei Löffeln Vanillegeschmack. »Auf dem Speiseplan stand ›Vollwertbratling mit Sojakeimen‹, aber es sah aus wie Brechdurchfall.«
    »Ach, wieder diese alternative Küche«, sagte Klaus. »Die veranstalten gerade eine Biokostwoche.«
    »Da wird sich unsere alternative Hebamme ja begeistert den Bauch vollschlagen«, sinnierte ich.
    Klaus packte sich lüstern eine Riesenportion Gyros mit fettigen Fritten aus. Einträchtig saßen wir auf dem Bett und waulten triebhaft nährstoffarme Kalorien mit Plastikbesteck, ich im rosa Stillnachthemd, aus dem der Busen quoll, und er im zu engen Kittel, aus dem der Bauch quoll. Wir waren das Jubelpaar der
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