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Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)

Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)

Titel: Frau zu sein bedarf es wenig: Roman (German Edition)
Autoren: Hera Lind
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Busen die Aufschrift hatte »Take it easy«, hielt ich für unangebracht. Tante Lilli fand auch das Geblümte besser. Kind, die Leute sind gediegen, flüsterte sie mir zu, als ich ihnen gegenüberstand.
    »Wir waren ja schon so gespannt darauf, Sie kennenzulernen!«, sagte der Vater, ein pensionierter Steuerfahnder mit preußisch schneidigem Charme. Ich flüchtete in mein Bett und zog mir die Decke bis zum Kinn.
    Die Mutter beugte sich bereits begeistert über das Baby, das seit Hildegards Eingreifen anständig in seinem Glasbettchen lag wie anderleuts Säuglinge auch.
    »Ganz unser Jungele!«, rief sie verzückt.
    Das Jungele wand sich ein wenig in seinem weißen Kittel.
    »Nun, Kinderle, wann werdet ihr denn heiraten?«, fragte der Steuerfahnder a. D.
    »Aber Vati!«, sagte Klaus nervös und fummelte an seinem Stethoskop herum.
    »Aber Vati!«, sagte auch die Mutti, die ihren Blick nicht von dem schlafenden Enkel wenden konnte. »Lass doch die Kinderle das selbst entscheiden.«
    Voll in Ordnung, die Frau!!
    »Warum heißt’n der Paul?«, fragte der Vater unwillig.
    »Paul Klett, wie klingt’n das? Da wer’n se’n in der Schule ärgern: Klettenpaule, hahaha!«
    »Er heißt nicht Paul Klett«, sagte ich beruhigend. »Er heißt Paul Frohmuth.«
    Der Vater schwieg betroffen. Die Mutter versenkte ihren Blick angelegentlich in das Kinderbett.
    »Bei uns früher hießen die Kinder so wie der Mann im Haus«, sagte der Vater betrübt. »Und die Frauen hießen auch so wie der Mann im Haus. Alle hießen so wie der Mann im Haus. Und damit sind die Deutschen jahrelang gut gefahren. Und jetzt der Quatsch mit den Doppelnamen! Lächerlich ist das! Adam-Schwaetzer und Bergmann-Pohl und wie die alle heißen! Die sollen mit dem Hintern zu Hause bleiben!«
    »Vati, wir sollten jetzt nicht politisch werden«, sagte Klaus.
    Die Mutter wollte auch nicht politisch werden. Ich mochte das an ihr.
    Ich lehnte in meinem Bett und hörte mir das alles an. Na phantastisch. Kaum hatte ich ein Kind in die Welt gesetzt, da wurde es von allen Seiten vereinnahmt und Grundlage fundamentalster Familiendispute. Fürwahr, ich wollte es allein erziehen! Paul war mein Kind, und ich hatte nicht die geringste Lust, über seinen Namen Rechenschaft abzulegen oder darüber, was die Kinder in der Schule zu ihm sagen würden. Der Säugling gehörte mir! Jawohl! Und daran wollte ich, im Namen der Emanzipation der Frau, auch verdammt noch mal nichts ändern. So nett diese Schwiegerleute waren.
    Aber sie sind gediegen! rief Tante Lilli ungehört, als sich die Herrschaften wieder verabschiedeten.
    Ein gediegener Schwiegervater macht noch keinen Sommer, brummte ich beleidigt und drehte mich mit Schwung zur Wand.
    Kaum war ich mit dem ewig schlafenden Säugling zu Hause, fingen die Probleme an. Paulchen wollte nicht trinken, und ich wollte nicht platzen. Klaus fuhr stehenden Fußes in die Kölner Innenstadt, um beim Sanitätshaus Forz eine Milchpumpe zu pumpen. Solche elektrischen Dinger werden nur verliehen, nicht verkauft, weil der Zustand des Stillens ein vorübergehender ist, glücklicherweise.
    Ich lief verzweifelt in der Vierzimmerwohnung hin und her, soweit das meine schmerzenden Milchspender zuließen, und verspürte nicht das geringste Mutterglück. Was hatte ich nur wieder falsch gemacht?
    Wenn ich täglich sechs Stunden damit beschäftigt war, den Säugling zu füttern, würde ich wohl kaum noch meine Stimmbänder hinter dem Ofen hervorlocken können, bei dem Stress!
    Kind, dann lass es doch! Alles hat seine Zeit! Jetzt ist eben Familienleben angesagt, rumgetingelt bist du lange genug!
    Aber Tante Lilli, ich will nicht tingeln, ich will meinem Beruf nachgehen!
    Papperlapapp, dieses ewige Selbstverwirklichungsgewäsch! Das hat die Natur schon genauso eingerichtet, dass die Frau bei ihrem Kind zu sein hat! Der Mann gehe seinem Handwerk nach, und die Frau halte das Haus sauber und ansonsten den Mund. Steht doch schon irgendwo im Alten Testament! Die Frau schweige in der Kirche, steht da.
    Ja, bei Ätzekiel, sagte ich muffig. Ist aber nicht mehr zeitgemäß! Da könnte ich ja einpacken!
    Hör auf mich, sagte Tante Lilli. In zwanzig Jahren redet kein Mensch mehr von der Selbstverwirklichung der Frau. Da stehen die Frauen wieder hinter dem Kochtopf, denn das ist Selbstverwirklichung!
    Ja, wenn man Knödelweitwurf studiert hat, nörgelte ich. Aber ich habe mein Jodeldiplom! Ich will weder den Kochlöffel halten noch die Schnauze!
    Das nützt keinem, tadelte
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