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Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Frau an Bord (Das Kleeblatt)

Titel: Frau an Bord (Das Kleeblatt)
Autoren: Hansi Hartwig
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das Etagenbett, mit dem ihr Hinterkopf eben Bekanntschaft geschlossen hatte, ein gewaltiges Bordtelefon, vermutlich aus der Steinzeit, sowie das Bullauge. Für mehr wäre auch kein Platz in dem zwei mal drei Meter großen Raum gewesen.
    W enn sie ehrlich war, würde sie wahrscheinlich gar nichts vermissen. Hier würde sie schlafen und ihre persönliche Habe aufbewahren. Das winzige Bad teilte sie sich mit ihrer Nachbarin, der Stewardess Simone. Das Essen brauchte sie weder kochen, noch hinterher wegwerfen, weil es mal wieder vollkommen verbrannt war. Nie wieder Abwasch, juhu! Keine Bettwäsche waschen und – brech! – bügeln! Was eigentlich brauchte es mehr zum Glücklichsein? Sie sollte sich in Bescheidenheit üben.
    S usanne lächelte leicht angesäuert. Selbstverständlich hätte sie es schlimmer treffen können, tröstete sie sich dürftig. Zwar genoss sie hier unten nicht den Komfort des Tageslichts und eines eigenen Bades, dafür aber die Gesellschaft der Stewardess. Sie rechnete fest damit, dass Simone alle Mängel aufwiegen würde.
    Mehr als eine Stunde blieb ihr noch bis zum Abendessen. Oh, wie bedauerte sie, Simone nicht länger in der Messe helfen zu können, hatte ihr das doch in der Tat einen Heidenspaß bereitet. Allerdings hatte die Oberstewardess Barbara Bart, genannt Babsi – böse Zungen sprachen sogar von BarBar –, inzwischen ihren Dienst angetreten und die duldete keine Eindringlinge in ihrem Reich. Schon gar nicht sie, die Neue, die sich erdreistet hatte, ihren Pyjama auf ihr Bett zu legen!
    Gelangweilt kramte sie ihr Tagebuch , eines der Abschiedsgeschenke ihrer Freundin Beate, aus dem untersten Fach des Kleiderschrankes. Sacht strich sie über das weiche Leder und ihr Blick verklärte sich. Beate hatte sie gebeten, alle Abenteuer während ihrer Seereisen für sie zu notieren. Wenn sie selbst schon nie zur See fahren durfte, wollte sie wenigstens auf diese Weise an den Erfahrungen ihrer Freundin teilhaben. Im Gegenzug würde Beate ihre Erlebnisse in Paris notieren und ihr dann zum Lesen geben.
    „Wo habe ich …“
    Sie klopfte ihre Taschen ab und drehte sich langsam im Kreis, während sie ihren Blick suchend über das Chaos im Raum schweifen ließ. Sie hätte Stein und Bein geschworen, mit Kugelschreiber und Schreibblock bewaffnet das Funkschapp verlassen zu haben. Andererseits wäre es nicht das erste Mal, dass sich dieser kleine Schelm durch eine gut vorbereitete Flucht ihrem Zugriff entzog. Leider war sie heute nicht in der Stimmung, sich auf sein Versteckspiel einzulassen.
    „ Du kannst mich mal“, motzte sie, denn gerade rechtzeitig kam ihr die Erinnerung an eine ganze Batterie von Stiften, die sie vor ihrer Abfahrt gekauft und irgendwo in den Tiefen ihrer Reisetasche versenkt hatte.
    Im Halbdunkel des Schrankes kramte sie in ihre m Gepäck.
    Wo sie natürlich nichts fand, was Ähnlichkeit mit einem Schreibgerät hatte. Dafür hielt sie plötzlich etwas in den Händen, das ihr zunächst das Herz stocken ließ.
     
    Zwei Stunden waren vergangen, seit die „Fritz Stoltz“ von den Schleppern „Arni“ und „Bison“ an die Leine genommen und durch das Hafenbecken in Richtung Flussmündung gelotst worden war. Nach dem Passieren der beiden Molenfeuer verabschiedeten sie den um ein Vielfaches größeren Massengutfrachter und schickten ihn auf die zweihundertsiebzig Seemeilen lange Reise in den östlichen Teil der Ostsee.
    Susanne hatte sich die Niedergänge nach oben auf das Freideck geschlichen, als hätte sie Angst, bei etwas Verbotenem entdeckt zu werden. Unsicher schaute sie sich um, doch das hektische Treiben, mit dem das Laden, die Zollkontrolle und endlich das Auslaufen verbunden waren, hatte sich längst gelegt. Wenngleich sie damit gerechnet hatte – aus welchem Grund, wusste sie selbst nicht –, dass es von Matrosen und Offizieren bloß so wimmeln würde, war ihr auf dem Weg ins Freie keine Menschenseele begegnet. Stille lag über den Kammern, den Niedergängen und Fluren, nur hin und wieder drang ein undefinierbarer Laut aus dem Schiffsbauch an ihr Ohr.
    Auch das Wetterdeck lag in diesem Moment wie leergefegt vor ihr. Der Fahrtwind wehte Susanne das lange Haar ins Gesicht und verdeckte ihre Augen. Hastig strich sie sich eine blonde Strähne aus der Stirn und blickte sich erneut um.
    Dann räusperte sie sich und flüsterte heiser: „Also, ich kann dir sagen, bis jetzt ist das alles ein einziger Reinfall. Es ist ganz anders, als wir uns das vorgestellt haben. Bea, du
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