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Fratzenmond: Katinka Palfys dritter Fall (German Edition)

Fratzenmond: Katinka Palfys dritter Fall (German Edition)

Titel: Fratzenmond: Katinka Palfys dritter Fall (German Edition)
Autoren: Friederike Schmöe
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Herbstblätter. Selten hatte Katinka den Himmel so blau gesehen, als habe jemand alles Preußisch Blau aus dem Farbkasten gekratzt und ans Firmament gespachtelt.
    Ida Schenck wartete schon auf sie.
    »Tee? Whiskey-Kuchen?«, fragte sie augenzwinkernd. Katinka fand es schwer, sich der Faszination der alten Dame zu entziehen. Sie war mit nichts und niemandem zu vergleichen, den sie kannte. In eine Schublade passt sie jedenfalls nicht, dachte Katinka, während sie Vishnu beobachtete, der um Ida Schencks Beine strich. Und das allein ist schon sympathisch.
    »Er weicht mir schon den ganzen Tag nicht von der Seite!«, rief Ida ein bisschen genervt, als sie beinahe auf den Schwanz des Katers getreten wäre. »Wie ein quengeliges Kleinkind.«
    Katinka folgte ihr in die Küche.
    »Frau Schenck«, sagte sie, »ich werde mich jetzt im Garten verschanzen und zusehen, dass ich gut verborgen bleibe, bis der Reiter aufkreuzt.«
    »Da müssen Sie ja beinahe vier Stunden ausharren!«
    Resolut fingerte Ida Schenck eine Thermoskanne aus dem obersten Fach im Küchenschrank. »Im Herbst kann es kalt werden, Frau Palfy. Wir haben schon ganz frostige Nächte. Ich gebe Ihnen jedenfalls einen Tee mit. Was mögen Sie lieber: Darjeeling oder Assam?«
    »Assam«, sagte Katinka zerstreut, ohne zu verraten, dass sie eher passionierte Kaffeetrinkerin war.
    »Assam. Der Herrentee. Eine gute Wahl, der wird Ihre Lebensgeister mit seinem kräftigen Aroma aufrechterhalten.«
    Sie setzte Wasser auf und streute die Teeblätter lose in eine Glaskanne.
    »Haben Sie mal nachgedacht?«, fragte Katinka.
    »Über den Herrentee?« Ida Schenck zwinkerte.
    »Eher über den Reiter. Was ist mit Ihrer Großnichte? Könnte die etwas mit der Sache zu tun haben?«
    »Aber nein. Habe ich Ihnen doch schon gesagt. Grit ist ein schlankes, rankes Mädchen, kein Ochsengestell wie der Kerl vor meinem Haus. Nein, Grit hat sicher nichts damit zu tun.«
    »Warum ist sie eigentlich ausgezogen?«
    Katinka sah zu, wie sich das sprudelnde Wasser über die Teeblätter ergoss.
    »Eine lange und nicht eben erfreuliche Familiengeschichte. Sie will Literatur studieren und ein freies, ungebundenes Studentenleben ohne ihre alte Tante führen. Ihr Vater wollte sie allerdings auf Jura hetzen. Leblose Sache, diese Rechtsstudien, wenn Sie mich fragen. Mein Neffe ist selber Rechtsanwalt, und seine Betätigung besteht nur darin, die Gegenseite von genau der Perspektive der Wirklichkeit zu überzeugen, die ihn gewinnen und haufenweise Geld scheffeln lässt.«
    Die Teeblätter trieben in der malzbraunen Flüssigkeit.
    »Nehmen Sie ihn mit Milch?«
    Katinka verneinte.
    »Tja, Grit …«, fuhr Ida Schenck fort, goss den Tee ab und verschraubte die Thermoskanne. »Jetzt sitzt sie erstmal auf dem Trockenen. In der Langen Straße, mittendrin im Trubel, hat sie sich eine Wohnung gemietet. Da nun Papas Bares ausbleibt, muss sie zusehen, dass sie sich einen Job besorgt. Aber die Mädchen kriegen ja immer was als Bedienung, wenn sie schnell sind und clever.«
    Vishnu sprang neben die Thermoskanne und maunzte lautstark. Ida vertrieb ihn. Nachdenklich blickte sie ihm nach, wie er aus der Küche stolzierte, sich im Flur vor die Türschwelle setzte und vorwurfsvoll zu ihnen hereinsah.
    »Eine Katze soll der Mensch mal verstehen lernen«, sagte Ida und zupfte an ihrem Blusenkragen. »Ich frage mich, was diese Tiere sehen, das uns verborgen bleibt. Tja, sie sind göttlicher Abstammung. Möchten Sie sich ein paar Kekse mitnehmen?«
    »Danke, lieber nicht. Ich lasse meine Aufmerksamkeit nicht gerne ablenken.«
    »Manchmal«, sagte Ida Schenck und schüttelte die Teeblätter aus dem Sieb in den Biomüll, »frage ich mich wirklich, ob Katzen vielleicht in die Anderwelt hinübergehen können.«
    Katinka stutzte. Die Anderwelt? Was meinte sie damit, die Welt der Toten? Während ihres Studiums hatte Katinka gerne Sartre gelesen, und sie erinnerte sich immer noch an einen seiner Romane, in dem die unsichtbaren Toten den Lebenden auf Schritt und Tritt folgen. Die Lektüre hatte sie fasziniert, aber sie erlag dabei wohl eher dem Rausch des Geheimnisvollen und hatte die Sache symbolisch verstanden.
    Ida Schenck beobachtete Katinka mit gesenktem Kopf. Hektisch tanzten ihre Augen in alle möglichen Richtungen, ruhten für einen Moment auf Katinka und stoben wieder davon.
    »Ich sehe mich um, Frau Schenck.«
    Katinka kontrollierte das Haus, probierte alle Türen und Fenster.
    »Öffnen Sie auf keinen Fall, wenn Sie nicht
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