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Franz Liszt

Franz Liszt

Titel: Franz Liszt
Autoren: Oliver Hilmes
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avancierte. Langsam, aber sicher sahen die Wagnerianer in Liszt nur noch den Steigbügelhalter Richards des Großen. Dass der zwei Jahre ältere Schwiegervater selbst ein genialer Komponist war, geriet in gern gesehene Vergessenheit.
    Â»Liszt existierte in meiner Jugend nicht«, erinnerte sich seine Ururenkelin Nike Wagner. »Schlimmer noch, er existierte nur als leicht bespöttelte Figur, die keinen interessierte – ›der Abbé‹ hieß es immer ironisch, wenn von Liszt einmal die Rede war.« Und weiter: »Ich sehe meinen Vater Wieland noch tief schlafen in einer Aufführung der ›Heiligen Elisabeth‹, die er aus repräsentativen Gründen hatte besuchen müssen. Und sollte es jemals Klavierabende mit Werken von Franz Liszt im Markgräflichen Opernhaus oder der Stadthalle gegeben haben – die Familie glänzte durch Abwesenheit und Ignoranz.« Die Motive für die Ablehnung Liszts seitens des Wagner-Clans waren ganz diesseitiger Natur. Es ging um Hierarchien, Eitelkeiten und nicht zuletzt auch um Geld. Zu viel Konkurrenz im eigenen Haus verdirbt das Geschäft, mag Cosima gedacht haben. Nike Wagner: »Trotz der engmaschigen Verhältnisse musste die musikalische Rangordnung abgesichert, der ›erste Platz‹ in der Musikgeschichte gewahrt werden.« 3
    Dabei hatte Richard Wagner seinem Freund und Schwiegervater unendlich viel zu verdanken. Liszt förderte ihn, wo immer er konnte, darüber hinaus rettete er ihn mehrfach vor dem finanziellen Kollaps. Doch das war nicht alles, in einem stillen Moment musste Wagner zugeben, »dass ich seit meiner Bekanntschaft mit Liszt’s Compositionen
ein ganz andrer Kerl als Harmoniker geworden bin, als ich vordem war«. 4 Und gegenüber Cosima bezichtigte sich Wagner sogar des geistigen Diebstahls: »daß er vieles meinem Vater gestohlen; seine Symphonischen Dichtungen nennt er: un repaire des voleurs [ein Diebesnest], worüber wir herzlich lachen müssen«. 5
    Vielen Wagnerianern ist bis heute nicht wohl bei der Vorstellung, dass sich ihr Halbgott im Werk des so bespöttelten Abbé reichhaltig bedient haben könnte. Als der Dirigent Simon Rattle vor einigen Jahren in Amsterdam an einer Podiumsdiskussion zum Thema Wagner teilnahm, provozierte er eine gewisse Unruhe, als er den Bayreuther als »ganz große Elster« bezeichnete. Rattle: »Wenn man die Walküre kennt, dann ist es ein Schock, Liszts Faust-Sinfonie kennen zu lernen und zu hören, wie viel Wagner daraus gestohlen hat.« 6 Das mochte nicht jeder im Saal hören. Eine Jahrhundertfigur wie Franz Liszt bedarf keiner Ehrenrettung. Ihn aber in ein rechtes Licht zu rücken gehört zu den Aufgaben eines Biographen.
    Als Franz Liszt vor 200 Jahren geboren wurde, begann einer der ganz großen Lebensromane des 19. Jahrhunderts. Liszts Weg führt die Leser durch ganz Europa: Man begegnet Kaisern, Königen und anderen gekrönten Häuptern, besucht den Papst im Vatikan, trifft bedeutende Musiker, Künstler und Schriftsteller, ehrgeizige Kardinäle, skrupellose Spione und zwielichtige Hochstapler und beobachtet mit einem gewissen Amüsement, wie Liszt sich in erotischen Fallstricken verhedderte. Viele Details dieser knapp 75 Lebensjahre sind ebenso grandios wie skandalös, andere sind betörend wie verstörend, und wiederum andere – etwa die Vorgänge rund um die »Affaire Wittgenstein« – sind spannend wie ein Krimi.
    Wer war also dieser Superstar Franz Liszt, der die Musik revolutionierte und die Frauen verführte? Die besten Geschichten schreibt immer noch das Leben.

    Oliver Hilmes
    Berlin, im Januar 2011

Génie oblige!

DANK
    B ei meiner Arbeit habe ich manche Hilfe erfahren, für die ich herzlich Dank sagen möchte, insbesondere den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der konsultierten Archive, Sammlungen und Bibliotheken. Ein besonderer Dank geht an Evelyn Liepsch vom Goethe- und Schiller-Archiv in Weimar, die mir mit großer Hilfsbereitschaft Franz Liszts umfangreichen Nachlass zur Verfügung stellte.
    Die bedeutenden Liszt-Forscher Prof. Dr. Serge Gut und Prof. Dr. Alan Walker teilten mit mir bereitwillig ihr Wissen über Franz Liszt. Herzlichen Dank.
    Ich bedanke mich bei Thomas Rathnow und bei Dr. Tobias Winstel vom Siedler Verlag, bei meinem Münchner Lektor Fritz Jensch und bei Ditta Ahmadi, die Texten und Fotos ihr ästhetisches Format verlieh. Barbara
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