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Franz Liszt

Franz Liszt

Titel: Franz Liszt
Autoren: Oliver Hilmes
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den schönen Frauen mochte er deshalb aber nicht lassen. Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte er schließlich als bedeutendster Klavierlehrer seiner Zeit pendelnd zwischen Rom, Weimar und Budapest.
    Wie passt das alles zusammen? Stellte es für ihn keinen Widerspruch dar, dass er sich einerseits als frommer Katholik gerierte und andererseits einen amourös-skandalösen Lebenswandel führte, der kaum mit der Sexualmoral der römischen Kirche vereinbar war?
    Es fällt schwer, sich im Wortsinne ein Bild von Franz Liszt zu machen. Zahlreiche Fotografien, die auch in dieser Biographie wiedergegeben werden, präsentieren ihn in den verschiedenen Abschnitten seines Lebens. Die Bilder aus der Virtuosenzeit wurden zu Ikonen: Sie zeigen einen jungen Mann mit beeindruckendem Charakterkopf, dessen lange Haare streng nach hinten frisiert sind, der modisch gekleidet ist und dessen rätselhafter Gesichtsausdruck verführerisch wirkt. Der junge Liszt erscheint als die Inkarnation des romantischen Virtuosen. Auf Fotos der späteren Jahre sehen wir einen älteren Herrn, dessen schneeweiße Künstlermähne in einem seltsamen Kontrast zur Soutane steht. Alle diese Bilder haben etwas gemeinsam: Sie wirken nicht nur inszeniert, was sie zweifellos waren, man gewinnt vielmehr den Eindruck, dass sich hier ein Mensch im Wortsinne ver-kleidet hat. Franz Liszt – ein Mann der vielen Masken?
    Liszts Vieldeutigkeit steht im Gegensatz zu Richard Wagner, dessen Außenwirkung sich durch eine gewisse Eindeutigkeit auszeichnet:
»Ich bin anders organisiert, habe reizbare Nerven, Schönheit, Glanz und Licht muß ich haben! Die Welt ist mir schuldig, was ich brauche! Ich kann nicht leben auf einer elenden Organistenstelle, wie Ihr Meister Bach! – Ist es denn eine unerhörte Forderung, wenn ich meine, das bißchen Luxus, das ich leiden mag, komme mir zu? Ich, der ich der Welt und Tausenden Genuß bereite!« 2
    Ein derartiges Manifest des Egoismus und der Selbstverliebtheit wäre Franz Liszt nie über die Lippen gekommen – er hätte diesen Forderungskatalog eher im Konjunktiv formuliert. Nicht ohne Grund bevorzugte er zeitlebens das Französische: In den galanten Verästelungen der Sprache der Diplomatie konnte er sein wahres Ich unauffällig verstecken. Aber wann war er gewissermaßen echt, wann zeigte er den Menschen nur eine Maske?
    Faszinierend vielfältig ist auch Franz Liszts Musik. Neben meisterhaften Klavieretüden, betörenden Shownummern, subtilen Reisebildern und hochvirtuosen Bearbeitungen steht sein atemberaubendes Spätwerk: ultramoderne Miniaturen, die den Weg ins 20. Jahrhundert weisen. Liszt schuf aber auch bedeutende Orchestermusik – darunter abendfüllende sinfonische Werke –, Orgelmusik, Lieder, Oratorien, Messen und sogar eine Oper. Die Klangsprache ist oft heroisch und ebenso dandyhaft auftrumpfend wie herablassend, in anderen Stücken erscheint sie poetisch-naiv, erotisch und zärtlich-fragil, und in seinen letzten Jahren fand er zu einer aufregenden Kargheit.
    Franz Liszts Klavierartistik trennt bei den Pianisten die Spreu vom Weizen – sie ist Pflicht und Kür in einem. Daher belegen seine Klavierwerke seit jeher feste Plätze auf den Programmzetteln: Ob Ferruccio Busoni, Vladimir Horowitz, Alfred Brendel, Daniel Barenboim, Martha Argerich oder Arcadi Volodos – nahezu alle bedeutenden Pianisten der Vergangenheit und Gegenwart griffen irgendwann im Laufe ihrer Karriere zur Sonate in h-Moll, zu den Paganini-Etüden oder zum Mephistowalzer .
    Um die Präsenz der anderen Werkgattungen ist es indes nicht so gut bestellt. So sind etwa Liszts Orchesterwerke im heutigen Musikbetrieb deutlich unterrepräsentiert. Das mag mit modischen Vorlieben
der jüngeren Dirigentengeneration zu tun haben – es gibt jedoch einen weiteren Grund, der weit in die Vergangenheit führt. Als im August 1870 Liszts Tochter Cosima und Liszts Freund Richard Wagner heirateten, nahm für Franz Liszt eine unglückliche Entwicklung ihren Lauf. Die ehrgeizigen Wagners instrumentalisierten ihren weltberühmten Verwandten bei der Etablierung des Bayreuther Festspielunternehmens nach allen Regeln der Kunst, und auch nach Wagners Tod 1883 machte Liszt den »Pudel«, wie er sich selbstspöttisch ausdrückte – nun für Tochter Cosima, die das Ruder übernommen hatte und zur allmächtigen »Herrin des Hügels«
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