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Franklin Gothic Medium (German Edition)

Franklin Gothic Medium (German Edition)

Titel: Franklin Gothic Medium (German Edition)
Autoren: Stefanie Maucher
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sie  in fremden Zungen, und unartikuliert den Verlust ihres Sprachvermögens betrauerte, beraubte er sie flink auch noch des linken Ohres, was einen Schmerz zur Folge hatte, der ihr fast die Sinne schwinden ließ. Die Zunge in der Pfanne bekam Gesellschaft.
    Zunge ist nicht jedermanns Sache. In den Kreisen von Mafia und Cosa Nostra galt das Herausschneiden des Gaumenmuskels als Zeichen des Verrats; ruchloses Organ, geschwätziger Lappen. Ließ man aber diese traditionellen Vorurteile außer Acht, wurde man dafür im Gegenzug mit einer wahren Delikatesse belohnt. Franklin aß Zungen seit Jahren mit stets gleicher Begeisterung, doch auch in dieser Fleischkategorie galt es weise und vorausschauend zu planen. Raucherzungen fielen ebenso durch sein kulinarisches Raster wie Zungen über Vierzig:  Geschmack, vor allem aber Konsistenz ließen dabei auffallend zu wünschen übrig. Frauenzungen hingegen waren meist zart und mit einem angenehm herben Aroma behaftet; für ihn gab es kaum etwas Erstrebenswerteres. Die Vorfreude auf den baldigen Genuss betörte ihn, ließ ihn schon vor dem Essen euphorisch werden und er begann ihr einen weiteren, ekstatischen Vortrag über die Kunst der feinen Küche zu halten. Doch bestürzender weise, gerade als sein lehrreicher Vortrag sich dem Ende näherte, verlor das Fleisch erneut das Bewusstsein. Noch viel bestürzender jedoch war, dass er vor lauter Tratschen ganz die in der Pfanne schmorende Köstlichkeit vergessen hatte und die gute Mahlzeit bis zur Ungenießbarkeit verbrannte.
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    Kapitel 3 - Kapital
    Ein Mann mit einem hohen Bankkont o kann gar nicht hässlich sein.                                                                      (Zsa Zsa Gabor)
    Ihre Bewusstlosigkeit ging ihm allmählich auf die Nerven. Die eigene Schlachtung zu verschlafen war etwas, das Franklin absolut nicht nachvollziehen konnte; obwohl er sich ansonsten für einen toleranten Menschen hielt. Bislang waren sie kaum weiter als bis zum Vorspiel gekommen, hatte sein Gaumen nur unerheblich mehr als die Andeutung ihres einmalig-individuellen Geschmacks goutieren dürfen. Und die kleine Zwischenmahlzeit, welche ihm so unglücklich verbrannte, war ein einziges Ärgernis gewesen! Der einzige Vorteil, den er in ihrer Besinnungslosigkeit erkennen konnte war, dass er in aller Ruhe der Fleischbeschau frönen und sich ergötzen konnte an dem wehrlosen Fleisch; gegenwärtig noch so lebendig, do ch binnen Kurzem schon verdaut.
    Essen ist Erotik für die Eingeweide; in seinen Augen ein intimes Zusammensein, mit dem ein wesentlich höheres Maß an Intimität erreicht werden konnte, als es durch schnöde sexuelle Handlungen und Akte möglich war. Das Fleisch des Anderen zu verzehren, ihn zu kosten, schlucken und zu verdauen, war die ultimative Vereinigung. Ein Orgasmus der Sinne, eine Fusion auf der hohen Ebene der absoluten Hingabe. Zugegebenermaßen war diese Hingabe etwas einseitig und sicherlich auch nicht ganz freiwillig, was jedoch, zumal diese Realitäten die Vollkommenheit der Vereinigung weder beeinträchtigten noch schmälerten, für ihn gänzlich unerheblich war. Zu Tafeln und den Anderen zu genießen war nicht nur Lust und Leidenschaft, sondern ein Akt der reinen, unverfälschten Liebe. Denn die Liebe, so sagt man, geht nun einmal durch den Magen.
    Die Navajo - Indianer glaubten, dass mit dem Verzehr des Herzens die Seele des Opfers in einen selbst überging; je mehr man davon aß, umso mächtiger und unbesiegbarer wurde man. Franklin glaubte nicht an derlei Legenden, doch ein Körnchen Wahrheit fand sich dennoch in den alten Mythen: man fühlte sich ÜBERLEGEN. In einer Welt voller Futtertiere war er der Löwe; die Savannen der Großstadt waren seine Spielwiese, seine Futterkrippe, seine nur ihm vorbehaltene Pralinenschachtel. Und unter dem Gesichtspunkt  “Du bist, was du isst”, fühlte er sich zutie fst menschlich; übermenschlich.
    Es war erneut an der Zeit, das dämmernde Fleisch ins Leben zurückzuholen. Feuer galt es mit Feuer zu bekämpfen, die Ohnmacht durch Schmerz mit dem Schmerz selbst. Demzufolge beugte er sich kurzentschlossen über sie, bleckte die Zähne und biss eine ihrer keck und verleitend emporragenden Brustwarzen ab. Mit einem gellenden, gutturalen Aufschrei erwachte das Fleisch aus dem lästig ignoranten Dämmerzustand in das es sich geflüchtet hatte. Endlich begann der zweite Akt
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