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Fortunas Tochter

Fortunas Tochter

Titel: Fortunas Tochter
Autoren: Isabel Allende
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kündigten die Kirchenglocken die Katastrophe erst an, wenn alle Welt schon aus den Trümmern zu kriechen versuche.
    Zu der Zeit, als Eliza auftauchte, war Jeremy Sommers dreißig Jahre alt und hatte begonnen, sich in der British Trading Company eine brillante Zukunft zu erarbeiten.
    In den Kreisen der Geschäftsleute und Bankiers genoß er den Ruf eines Ehrenmannes: sein Wort und ein Händedruck galten soviel wie ein unterschriebener Vertrag, ein unschätzbarer Vorzug bei jeder Transaktion, denn die Bestätigungsschreiben brauchten Monate, um die Ozeane zu überqueren. Für ihn, der kein Vermögen besaß, war sein guter Name wichtiger als das Leben selbst.
    Unter Opfern war es ihm gelungen, einen sicheren Posten in dem fernen Hafen von Valparaíso zu erlangen, und das letzte, was er sich in seinem wohlgeregelten Dasein gewünscht hätte, war ein neugeborener Säugling, der ihn in seinen Gewohnheiten stören würde, aber als Eliza ihnen ins Haus fiel, konnte er nicht anders, er mußte sie aufnehmen, denn seine Schwester Rose war von dem kleinen Ding einfach nicht abzubringen, und so gab er nach.
    Damals war Rose gerade erst zwanzig, aber sie war bereits eine Frau mit Vergangenheit, und ihre Aussichten, noch eine gute Partie zu machen, waren gering. Andererseits hatte sie ihre Schlüsse gezogen und entschieden, eine Ehe wäre, selbst im günstigsten Fall, ein schlechtes Geschäft für sie; bei ihrem Bruder Jeremy genoß sie eine Unabhängigkeit, die ein Ehemann ihr nie zugestehen würde. Sie hatte es geschafft, sich ihr Leben angenehm einzurichten, und ließ sich vom Stigma der Sitzengebliebenen nicht schrecken, im Gegenteil, sie war entschlossen, der Neid aller Ehefrauen zu werden trotz der gängigen Überzeugung, daß den unweiblichen Geschöp– fen, die sich von ihrer Rolle als Gattin und Mutter abwandten, ein Schnurrbart wuchs wie den Blaustrüm– pfen; aber sie hätte gern Kinder gehabt, und das war der einzige Kummer, den sie auch durch noch so viele Manöver der Einbildungskraft nicht in einen Sieg verwandeln konnte. Manchmal träumte sie, die Wände ihres Zimmers wären voller Blut, Blut tränkte den Teppich, Blut spritzte bis hinauf zur Decke, und mitten darin sie, nackt und bis zum Wahnsinn verwirrt einen Salamander gebärend. Sie erwachte schreiend und war den ganzen Tag verstört, ohne sich von dem Albdruck lösen zu können. Jeremy beobachtete sie, sorgte sich um ihre Nerven und fühlte sich schuldig, weil er sie so weit von England mit fortgeschleppt hatte, obwohl er sich eine gewisse Befriedigung über das Arrangement, das sie getroffen hatten, nicht versagen konnte. Da der Gedanke an eine Ehe sein Herz nie berührt hatte, löste Roses Anwesenheit die häuslichen und die gesellschaftlichen Probleme, zwei wichtige Gesichtspunkte seiner Karriere. Seine Schwester wirkte ausgleichend auf seine introvertierte und einsiedlerische Natur, deshalb ertrug er gutwillig ihre wechselnden Launen und ihre unnötigen Ausgaben. Als Eliza auftauchte und Rose darauf bestand, sie zu behalten, wagte Jeremy nicht, sich zu widersetzen oder kleinliche Bedenken zu äußern, und verlor großmütig alle um das Großziehen des Kindes geführten Kämpfe. Das begann, als es darum ging, ihm einen Namen zu geben.
    »Sie wird Eliza heißen wie unsere Mutter und unseren Familiennamen tragen«, entschied Rose, nachdem sie den winzigen Findling gefüttert, gebadet und in ein Umschlagtuch gehüllt hatte.
    »Auf keinen Fall, Rose! Was glaubst du wohl, was die Leute sagen werden!«
    »Das erledige ich. Die Leute werden sagen, du bist ein Heiliger, weil du dieses arme Waisenkind aufnimmst, Jeremy. Es gibt kein schlimmeres Schicksal, als keine Familie zu haben. Was würde aus mir, wenn ich nicht einen Bruder wie dich hätte?« erwiderte sie, sich wohl bewußt, wie sehr ihm schon vor einem Anflug von Sentimentalität graute.
    Der Klatsch war unvermeidlich, auch damit mußte sich Jeremy Sommers abfinden, wie er es auch hinnahm, daß die Kleine den Namen seiner Mutter erhielt, in den ersten Jahren im Zimmer seiner Schwester schlief und für Trubel im Haus sorgte. Rose verbreitete das unglaubliche Märchen von dem prächtigen Körbchen, das unbekannte Hände in das Kontor der British Trading Company gestellt hatten, und keiner schluckte es, aber da auch keiner ihr einen Fehltritt nachweisen konnte - denn man sah und hörte sie jeden Sonntag beim anglikanischen Gottesdienst, und ihre überschlanke Taille spottete allen Gesetzen einer schwangeren
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