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Fortunas Tochter

Fortunas Tochter

Titel: Fortunas Tochter
Autoren: Isabel Allende
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sich ihres Körpers wieder bewußt, dem sie keinerlei eigene Bedeutung zugestanden hatte von dem Augenblick an, als Joaquín Andieta sich in Chile von ihr verabschiedete an jenem unheilvollen 22. Dezember 1848. In ihrem besessenen Eifer, diesen Mann zu finden, hatte sie auf alles verzichtet, nicht zuletzt auch auf ihre Weiblichkeit; sie fürchtete, sie habe sie unterwegs verloren im Tausch gegen ein seltsames asexuelles Etwas. Einige Male, wenn sie durch Täler und Wälder geritten war, der Gnaden– losigkeit aller Winde ausgeliefert, hatte sie sich an Miss Roses Ratschläge erinnert, die sich mit Milch wusch und keinen Sonnenstrahl auf ihrer Porzellanhaut duldete, aber mit derlei Rücksichtnahmen hatte sie sich nicht aufhalten können. Sie hatte die Mühe und die Strafe ertragen, weil sie keine andere Möglichkeit sah. Sie betrachtete ihren Körper wie ihre Gedanken, ihr Gedächtnis oder ihren Geruchssinn als untrennbaren Teil ihrer selbst.
    Früher hatte sie nicht verstanden, was Miss Rose meinte, wenn sie von der Seele sprach, weil sie sie nicht unterscheiden konnte von der Einheit von Körper und Geist, die sie war, aber nun begann sie ihre Natur zu ahnen.
    Seele war der unveränderliche Teil eines Wesens. Der Körper dagegen war diese fürchterliche Bestie, die nach jahrelangem Überwintern ungezügelt und voller Forder– ungen erwachte. Er erinnerte sie wieder an das glühende Verlangen, das sie im Zimmer der Schränke so kurz gekostet hatte. Seither hatte sie kein wirkliches Bedürfnis nach körperlicher Lust empfunden, als hätte dieser Teil ihrer selbst in tiefem Schlaf verharrt. Sie schrieb es dem Schmerz zu, von ihrem Geliebten verlassen worden zu sein, der Panik, sich schwanger zu wissen, dem Aufenthalt in den Labyrinthen des Todes auf jenem Schiff, dem Trauma der Fehlgeburt. Sie war so zerbrochen gewesen, daß die Angst, noch einmal solchen Umständen ausgesetzt zu sein, stärker gewesen war als das Ungestüm der Jugend. Sie hatte gedacht, für die Liebe zahle man einen zu hohen Preis und es sei besser, sie ganz zu meiden, aber etwas hatte sich während der letzten zwei Jahre mit Tao Chi’en in ihrem Innern gewendet, und plötzlich erschien ihr die Liebe wie das Verlangen unvermeidbar. Die Notwendigkeit, sich als Mann zu kleiden, begann sie zu drücken wie eine Last. Ihr fiel das Nähstübchen ein, wo Miss Rose in ebendiesem Augenblick sicherlich wieder an einem ihrer bezaubernden Kleider arbeitete, und eine Woge des Heimwehs überwältigte sie, Heimweh nach jenen köstlichen Nachmittagen ihrer Kindheit, nach dem Fünf-Uhr-Tee in den schönen Tassen, die Miss Rose von ihrer Mutter geerbt hatte, nach den lustigen Streifzügen durch den Hafen, wenn sie geschmuggelte hübsche Nichtigkeiten von den Schiffen kauften. Und was mochte aus Mama Fresia geworden sein? Sie sah sie brummelnd in der Küche, dick und warm und nach Basilikum duftend, immer mit einem Kochlöffel in der Hand und einem brodelnden Topf auf dem Herd, eine liebenswerte Hexe. Sie fühlte eine drängende Sehnsucht nach dieser weiblichen Komplizenschaft von einst, ein nicht mehr fortzuschiebendes Verlangen, sich wieder als Frau zu fühlen. In ihrem Zimmer hatte sie keinen großen Spiegel, um dieses weibliche Geschöpf zu betrachten, das darum kämpfte, sich durchzusetzen. Sie wollte sich nackt sehen. Manchmal wachte sie im Morgengrauen auf, von wilden Träumen fiebernd, in denen das Bild Joaquín Andietas mit dem Stern auf der Stirn überlagert wurde von anderen Bildern, aus den erotischen Büchern aufgestiegen, die sie früher Joe Bonecrushers Täubchen vorgelesen hatte. Sie hatte das völlig gleichmütig getan, weil diese Beschreibungen nichts in ihr wachriefen, aber nun kamen sie zurück und quälten sie im Traum wie unzüchtige Gespenster. Allein in ihrem schönen Zimmer mit den chinesischen Möbeln, nutzte sie das Frühlicht, das schwach durch die Fenster schien, um sich hingerissen einer Erforschung ihres Körpers zu widmen. Sie zog den Schlafanzug aus und betrachtete neugierig die Teile ihres Körpers, die sie sehen konnte, und betastete die anderen, wie sie es vor Jahren getan hatte, als sie die Liebe entdeckte. Sie stellte fest, daß sie sich wenig verändert hatte. Sie war schlanker geworden, aber dafür kam sie sich auch kräftiger vor. Die Hände waren von Sonne und Arbeit gebräunt, aber alles übrige war so hell und glatt, wie sie es in Erinnerung hatte. Sie fand es erstaunlich, daß ihre Brüste, die so lange Zeit unter einer
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