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Fool: Roman (German Edition)

Fool: Roman (German Edition)

Titel: Fool: Roman (German Edition)
Autoren: Christopher Moore
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Später, als ich laufen konnte, stellten sie mich zur Essenszeit auf den Tisch und ließen mich auf und ab marschieren und ihnen mit meinem Winker winken, jenem einzigartigen Anhängsel in der Welt der Frauen. Ich war schon sieben Jahre alt, als mir bewusst wurde, dass man auch in Hosen frühstücken konnte. Dennoch fühlte ich mich oft anders als die anderen: ein fremdes Wesen, isoliert.
    Man erlaubte mir, auf dem Boden in der Kammer der Äbtissin zu schlafen, denn sie besaß einen gewebten Teppich, den ihr der Bischof geschenkt hatte. In kalten Nächten durfte ich mit unter ihrer Decke schlafen, um ihr die Füße zu wärmen, sofern sich nicht eine der anderen Nonnen zu diesem Zweck bereits zu ihr gesellt hatte.
    Mutter Basil und ich waren unzertrennlich, selbst noch nachdem ich ihrer beuteltierartigen Zuneigung entwachsen war. Seit ich denken konnte, nahm ich mit ihr an Messen und Gebeten teil. Wie gern sah ich ihr zu, wenn sie sich am Morgen rasierte, ihre Klinge am Lederriemen abzog und sorgsam den blauschwarzen Backenbart aus ihrem Gesicht barbierte. Sie zeigte mir, wie man die kleine Stelle unter der Nase rasiert und wie sie die Haut am Hals beiseitezog, um sich nicht in den Adamsapfel zu schneiden. Doch war sie eine gestrenge Herrin. Alle drei Stunden musste ich beten wie die Nonnen und sowohl Wasser für ihr Bad heranschleppen, Holz hacken, Böden schrubben und Gartenarbeit verrichten, als mich auch in Mathematik, Katechismus, Latein, Griechisch und Kalligrafie unterrichten lassen. Mit neun Jahren konnte ich drei Sprachen lesen und schreiben und das Leben der Heiligen aus der Erinnerung aufsagen. Ich lebte, um Gott und den Nonnen von Dog Snogging zu dienen, in der Hoffnung, irgendwann einmal zum Priester geweiht zu werden.
    Und so wäre es auch gekommen, wären nicht eines Tages Arbeiter in der Abtei erschienen, Steinmetze und Maurer, die nach ein paar Tagen abseits eines der verlassenen Gänge im Pfarrhaus eine Zelle errichtet hatten. Wir sollten unseren ureigenen Eremiten bekommen, oder in unserem Fall: eine Eremitin. Eine Akoluthin, die Gott so inniglich liebte, dass sie sich in eine Zelle einmauern ließ, mit nur einer winzigen Öffnung, durch die man ihr Brot und Wasser reichen konnte, und dort wollte sie den Rest ihres Lebens verbringen, buchstäblich als Teil der Kirche, betend und Weisheiten unters Volk streuend, durch ihr Luftloch, bis der Herr sie zu sich nahm. Neben dem Märtyrertod war das der heiligste Akt der Hingabe, den ein Mensch vollbringen konnte.
    Täglich schlich ich aus Mutter Basils Kammer, um nachzusehen, welche Fortschritte die Zelle machte, in der Hoffnung, mich irgendwie in jenem Ruhm zu sonnen, welcher der Eremitin zuteilwerden sollte. Doch als die Mauern immer höher wuchsen, sah ich, dass es kein Fenster gab, keine Luke, durch welche die Dorfbewohner Segnungen erfahren konnten, wie es doch Sitte war.
    »Unsere Eremitin ist etwas ganz Besonderes«, erklärte Mutter Basil mit ihrem ruhigen Bariton. »Sie ist so fromm, dass sie nur jene sehen will, die ihr das Essen bringen. Sie möchte sich keinesfalls von ihren Gebeten für die Erlösung des Königs ablenken lassen.«
    »Sie steht unter der Obhut des Königs?«
    »Allerdings«, sagte Mutter Basil. Wir anderen waren durch schnöde Bezahlung verpflichtet, für die Vergebung des Grafen von Sussex zu beten, der im letzten Krieg gegen die Belgier Tausende Unschuldiger geschlachtet hatte und auf den Kohlen der Hölle braten würde, wenn wir nicht an seiner Stelle jene Buße taten, die der Papst höchstpersönlich auf sieben Millionen Ave Marias pro Bauer festgesetzt hatte. (Selbst mit einer Sonderregelung und einem fünfzigprozentigen Preisnachlass, wie man ihn in Lourdes erwerben konnte, bekam der Graf pro Penny dennoch nicht mehr als tausend Ave Marias zusammen, sodass Dog Snogging durch seine Sünden ein reiches Kloster wurde.) Unsere Eremitin jedoch wollte für die Sünden des Königs ganz allein einstehen. Es hieß, er sei von so herzerfrischender Bosheit, dass ihre Gebete besonders wirkungsvoll ausfallen mussten.
    »Bitte, Mutter... bitte lasst mich der Eremitin ihr Essen bringen!«
    »Niemand darf sie sehen oder sprechen.«
    »Aber irgendwer muss ihr doch was zu essen bringen! Lasst mich es tun! Ich verspreche auch, nicht hinzusehen.«
    »Ich will den Herrn dazu befragen.«
    Ich war nicht dabei, als die Eremitin kam. Plötzlich ging das Gerücht, sie befinde sich in der Abtei, und die Arbeiter hätten sie bereits eingemauert.
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