Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Föhn mich nicht zu

Föhn mich nicht zu

Titel: Föhn mich nicht zu
Autoren: Stephan Serin
Vom Netzwerk:
bedienen. Aber Leonora hatte auch für dieses Problem Vorkehrungen |234| getroffen. Sie erschien zu Beginn der Stunde höchstpersönlich, um den Film einzulegen und zu starten.
    «Ihr werdet heute den Film
Frida
gucken. Der ist über die mexikanische Malerin Frida Kahlo und ist sehr gut.» Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken.
     Wie konnte mir Leonora dieses Werk antun? Hatte sie vergessen, dass es darin Sexszenen gab? Das wusste ich, obwohl ich
Frida
selbst nie gesehen hatte. Aber es war eine alte Angewohnheit von mir, aus Vorsicht, bevor ich mir einen Film anschaute, immer
     im Internet zu recherchieren, ob in ihm Frauen durch Zurschaustellen nackter Haut zu Sexobjekten degradiert wurden. Nicht
     dass ich auf den Film dann verzichtete, aber mein Blick war dadurch sehr kritisch, feministisch-emanzipatorisch sozusagen.
     Und natürlich ermöglichte mir diese Vorabrecherche, diejenigen Werke auszusortieren, die ich auf keinen Fall meinen Schülern
     zeigen durfte.
    Leider war Frau Sohn, wie Leonora mit Nachnamen hieß, nicht so umsichtig gewesen. Und dummerweise war ich der Kollege, der
     ihre Sorglosigkeit ausbaden musste. Denn in
Frida
war Salma Hayek gleich viermal unbekleidet zu sehen. Hinzu kamen je eine Nackteinstellung mit Ivana Sejenovich, Mía Maestro
     und Lucia Bravo. Doch damit nicht genug. Es gab obendrein noch lesbischen Sex. Das würde mich gegenüber einer zehnten Klasse
     wiederholt in äußerste Verlegenheit bringen. Denn wenn ich in diesen Momenten jedes Mal meinen Blick schamhaft vom Bildschirm
     abwandte und demonstrativ konzentriert in meinen Unterlagen blätterte, dann war ich für die Schüler der verklemmte Herr Serin,
     der selbst noch nie eine Frau genagelt hatte. Hielt mein Blick jedoch dieser Herausforderung stand, wurde ich zum sabbernden,
     geifernden, lüsternen Herrn Serin, der sich an jeder noch so billigen Nacktszene aufgeilte. So oder so. Es war eine Lose-Lose-Situation.
     Und anders als bei einer DVD konnte ich die Stellen auch nicht einfach überskippen.
Frida
, zumal in VHS, |235| war das denkbar ungeeignetste Medium, das Leonora für die Vertretung hatte auswählen können.
    Natürlich gab es keine per se für die Schule völlig ungeeigneten Filme. Jede Regiearbeit besaß theoretisch didaktisches Potenzial.
     Doch selbst eine T V-Serie wie
Holocaust
vermochte ihres nicht zu entfalten, wenn dem Schauen nicht gezielte vorbereitende und nachbereitende Aktivitäten vorausgingen,
     wenn der Sehensprozess der Schüler nicht durch konkrete Hör- und Sehaufträge gesteuert wurde. Umgekehrt wurden mit den richtigen
     Arbeitsaufträgen sogar die
120   Tage von Sodom
eines Pier Paolo Pasolini zu einem tauglichen Unterrichtsfilm. Nur hatte mir Leonora weder vorbereitende und nachbereitende
     Aktivitäten noch Hör- und Sehaufträge mitgegeben. Und welche sollte ich mir auf die Schnelle zu einem Film einfallen lassen,
     den ich nie gesehen hatte?
Achtet bitte darauf, mit welcher Filmmusik der Regisseur die Sexszenen untermalt! Achtet in den Sexszenen bitte darauf, ob
     die Körpersprache von Frida (Salma Hayek) dafür spricht, dass sie eine emanzipierte und dominante Frau ist oder dafür, dass
     sie sich am Ende ihrem Mann Diego Rivera (Alfred Molina) doch wieder sexuell unterwirft! Achtet bitte in den Sexszenen vor
     allem auf die Augen von Salma Hayek!
    Mir blieb keine Zeit, länger über die Arbeitsaufträge zu sinnieren , denn zu meiner großen Verwunderung begann der Film, kaum dass meine Kollegin den Raum verlassen hatte, sofort mit einem Liebesspiel zwischen zwei Frauen und einem Mann. Damit hatte ich nicht gerechnet. Diese Szene war im Internet gar nicht dokumentiert. Es handelte sich hier offenbar um den Director’s Cut mit zensierten, bisher nicht veröffentlichen Sequenzen. Die Schüler waren jedenfalls hellauf begeistert. Ihr Enthusiasmus ließ auch in den nachfolgenden Minuten nicht nach, in denen sich bei mir die Erkenntnis durchsetzte, dass es sich bei diesem Film nicht um die
Frida
-Version handelte, die ich befürchtet hatte, sondern |236| um eine viel schlimmere, um ein gleichlautendes Remake aus irgendeinem osteuropäischen Land mit ausgiebigen Sexsequenzen , dessen Handlung nur noch wenig Gemeinsamkeiten mit der wahren Geschichte der Frida Kahlo aufwies:
Frida , eine bildhübsche wie temperamentvolle junge Frau (sie erinnert ein bisschen an Salma Hayek) erleidet 1925 einen tragischen
     Verkehrsunfall im Bus, weil sie den Fahrer oral befriedigte. Dieser Unfall
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher