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FO 32 - neue SF 2

FO 32 - neue SF 2

Titel: FO 32 - neue SF 2
Autoren: Langdon Jones
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Phantasievorstellungen, mit denen Kinder ihre Gespräche ausschmücken, sind in ihrem Alter nichts Ungewöhnliches.
    Aber abends, wenn sie ihren Platz bei Tisch einnehmen muß, fühlt sie sich weniger sicher. Die Gäste tragen Masken. Ihre leidenschaftlichen Diskussionen über die Tagundnachtgleiche, über die Flußverschmutzung, den Krieg beunruhigen sie. »Plus ça change«, bemerkt der Prinz, »plus c’est la même chose.«
    Die Angst vor der Gouvernante, so unvernünftig sie auch sein mag, ist dennoch der Stoff, aus dem Romanzen gewebt sind. Sind wir insgeheim nicht alle in diesen ruinierten Prinzen verliebt? Was er auch getan haben mag oder noch tun wird. Der Gedanke, daß jemand in seinem Turm gefangengehalten wird, verleiht seinen Liebkosungen zusätzliche Würze. Während seine Hän de über deinen Körper streichen, lauschst du seinen wortgewandten Analysen der Präsidentschaftskampagne, der verschmutzten Flüsse, der Aufstände in Chicago …
    Blumenvasen, Vorhänge. Diese Luxusdinge verfolgen sie durch das Haus wie eine Hundemeute. Unbarmherzig. Ausgehungert. Welche Augenfarbe hat er eigentlich?
    In den Augustwipfeln spürten die Vögel das Kommen des Herbstes, und auch sie konnte nicht mehr daran vorbeisehen, daß er schon mit seinen roten Bannern ins Tal marschiert kam. Tag und Datum sind ohne Belang. Es ist Herbst. Die Kinder fischen im verschmutzten Fluß nach Muscheln. Plätschernd, kichernd. Die Gouvernante, gefesselt, ihr Mund mit DEINE-STIMME-FÜR-WALLACE-Aufklebern verklebt, sieht zu, wie der junge Miles seine Schwester liebkost. Die Hände des Prinzen verfolgen einander mit spitzen Schreien durch das Schilf und am schlammigen Ufer entlang. In ihrer Vorstellung kehrt sie immer wieder zu dieser Szene zurück, die stets gleichbleibt. Der Fluß. Der maskierte Polizist. Die kleinen Zungen der Kinder, die über ihren Körper wandern.
    Jeden Morgen bringt ihr der Gärtner das Frühstück auf einem Tablett ans Bett. Im Gefühl eines fast unerträglichen Luxus liest sie die New York Times. »Das ganze Land ist von einer Krankheit befallen. Sie läßt sich nicht heilen, indem man sich von ihr abwendet oder so tut, als gäbe es sie nicht. Die Wallace-Bewegung ist ein böses Phänomen.«
    Der Prinz besteht darauf, daß sie an seinem Abendessen teilnimmt.
    In dieser Woche sind Tag und Nacht etwa gleich lang. Der Rasen ist bedeckt mit kleinen toten Vögeln. Der Gärtner harkt sie zu kleinen Haufen zusammen und bringt sie zum Verbrennen fort. Die Hand des Mannes auf dem Portrait ist fast eine Klaue.
    Als wir mit der Lektüre dieses Romans fortfahren, kommen wir zu der Erkenntnis, daß der Gärtner die Kinder schon seit Jahren insgeheim korrumpiert. Angewidert legst du das Buch zur Seite, doch es beginnt langsam quer durchs Zimmer auf dich zuzukriechen, schiebt sich wie eine Raupe voran. Du rennst nach draußen in den Herbstmittag und den Duft brennender Blätter. In den Kasematten des Turms schreien die Frauen ihre Begeisterung für George Wallace hinaus. Du liegst auf der Kiesstraße, und er fährt den Imperial über deinen Körper, vor und zurück.
    Märsche und Polkas fallen von den Bäumen. Der Rhythmus des Lebens. Bald gibt es Schnee. Bald ist der Fluß eisbedeckt. Bald, bald, Stille.
    Du bist zum Prinzen von Abolie geworden.
     
    MATT
    Ich frage Sie noch einmal, Regina – ist das fair? Und wenn Sie bei Ihrer Antwort bleiben, sage ich Ihnen wiederum, es ist nicht fair! Ich stehe schon sehr lange hier vor Ihrer Tür und warte auf eine Antwort, und allein das ist unfair! Außerdem ist es hier ungemütlich, und mir ist nicht wohl, und obwohl Sie jetzt sicher sagen, daß mir ja nicht immer unwohl ist, ist das kein Trost. Man ist sowieso nur mehr oder weniger gesund, und es ist stets mehr oder weniger ungemütlich, und nur indem man das Mehr mit dem Weniger vergleicht, mag das erstere wünschenswert erscheinen.
    Es ist schon sieben Uhr.
    Vielleicht geht es nicht nur um schwarz oder weiß. Und vielleicht macht sich mein Fall auch nicht sehr groß aus unter all den Fällen, die unter Ihre Autorität fallen, aber dann wäre allein seine Unwichtigkeit ein weiterer Quell des Elends, der mich zu der Überzeugung bringt, daß meine Klage wohl nie behandelt wird. Versuchen Sie sich doch mal an meine Stelle zu versetzen.
    Zumindest könnten Sie mich anhören. Oder mich anschauen. Ich existiere. Man kann mich anfassen. Ich habe sogar Zähne.
    Immerhin sind wir gar nicht so verschieden, Sie und ich. Oder? Auch Sie haben
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