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FO 32 - neue SF 2

FO 32 - neue SF 2

Titel: FO 32 - neue SF 2
Autoren: Langdon Jones
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möglich, sagte er eines Abends zu Jess, daß das Wasser noch immer Einfluß hat, wo es einmal gewesen ist? Daß diese ganze Reise sozusagen durch Wasser gegangen ist, unter Wasser?
     
    Sie bekamen ein Telegramm mit der Bitte, Grahams Schwester in Oregon anzurufen. Die Stimmen der zweisprachigen Telefonistinnen und die seltsamen mechanischen Geräuschsilben kamen Graham wie das Ticken eines Riesengehirns vor; absolute Schwärze breitete sich vom Hörer in seiner Hand aus. Das Schlüsselloch am anderen Ende der Leere erhellte sich, seine Schwester war am Apparat.
    Ihre Stimme klang sehr winzig und nur entfernt bekannt.
    Graham, sagte sie. Graham, hallo , ich habe schlech te Nachrichten. Es gab eine Störung in der Leitung, ein Knacken wie ein Waldbrand im Radio.
    Was, was? brüllte er in den Hörer. Linda, ich kann dich nicht hören, Linda. Die Stimme der Telefonistin drang ein, schwebte über der Störung, dann war die Leitung wieder klar.
    Es geht um Mutter , hörte er Lindas Schrei vom an deren Ende der Leitung, neuntausend Kilometer ent fernt. Mutter! Es hat einen Flugzeugabsturz gegeben, und Mutter ist tot.
    Graham bekam nun mit, daß sie weinte, ein seltsam schnarrendes Geräusch, das irgendwie mit zu der mechanischen Konversation der Maschine zu gehören schien.
    Sie wollte Gary in Ohio besuchen – irgend so ein verrückter Sturm über den Rockies. Die Verbindung wurde wieder schlechter, verbesserte sich. Keiner hat überlebt.
    Als seine Schwester auflegte, hielt Graham den Hörer noch eine Minute in der Hand und hörte zu, wie sich die Kontakte und Verbindungen klickend lösten. Er hängte ein, und die Stille dröhnte auf ihn ein. Der Boden fiel aus dem Faß seiner Eingeweide, und er schaffte es gerade noch zum W.C. Im grellen Licht der Männertoilette, in dem fleckigen Spiegel sah er wie ein alter Mann aus.
     
    Es gibt 60 Kanäle in Amsterdam.
     
    Nun ging es schnell. Später, als er auf den Weg, den sie zurückgelegt hatten, zurückblickte, vermochten sie die Wegweiser zu erkennen, die Schilder, die da anzeigten, daß eben dies am Ende stehen würde, doch damals war das alles nicht so klar. Die Situation selbst machte eine genaue Einschätzung der Lage unmöglich, so daß sie unvorbereitet blieben, sofern man auf so etwas überhaupt vorbereitet sein kann, gefaßt, Gepäck fertig, bereit wie wenn man in ein Krankenhaus führe, um ein Kind zu bekommen, das neue rosa Bettjäck chen, die Zahnbürste.
     
    Alle Rechnungen wurden auf einmal fällig, alle persönlichen Schulden verfielen, die intimsten Transaktionen, die Banken brachen zusammen, die Hühner kamen zur Schlachtbank (dies in der tonlosen Stimme der Großmutter aus dem Mittleren Westen), die Dei che, die Deiche brachen schließlich, und das Wasser drang ein und überschwemmte sie, füllte alles, bedeckte alles.
    Graham, von Wasser umgeben, lag flach und still in jenem Bett, in jenem Zimmer. An der Grenze seines Gesichtskreises bewegten sich Menschen, vor und zurück, verschwommene weiße Gestalten, er vernahm Geräusche, die von ihnen in seine Richtung blubberten, doch sie ergaben keinen Sinn. Später lernten sie es, das Meer durch Deiche abzuwehren – erst aus Erde, Jahrhunderte später aus Stein und heute aus Beton und Stahl. Die Niederländer bauen zur Zeit ihre gigantischen »Delta-Werke« – eine Serie von fünf neuen Deichen, die weitere große Nordseegebiete erschließen sollen. Und vergessen wir nicht, daß auch das dem Meer abgerungene Land stets durch Kanäle und Pumpen trockengehalten werden muß – oder das Meer steigt wieder empor!
    Wesen schlossen sich ihm an in all dem Wasser, häßliche Fische mit leuchtenden Schuppen. Mit lidlos hervorgetretenen Juwelenaugen und langen durchsichtigen Schwänzen umschwammen sie ihn, stießen gegen sein Fleisch, kauten an seinen Fingern und an seinen Fußsohlen. Er spürte die Schlangen, die seine Arme hinaufkrochen und Schleimspuren hinterließen, in der ihre Vergangenheit lag. Andere Wesen, in Schalen eingeschlossen und andere aus klaren, schimmernden Gelees bestehend, nisteten sich in seinen Öffnungen ein, in seinen Ohren, unter der Decke, zwischen seinen Beinen. New Orleans brannte. Denver brannte. San Francisco brannte. Vietnam ist größer als Rhode Island, aber kleiner als Texas. Van Eyck, die Chinesen, Salzwasser, der Geheimgang, die hungernden Millionen in Indien.
     
    Während Rembrandt mit seiner gewaltigen Nachtwa che kämpfte, rang Saskia mit dem Tode; am 14. Juni 1642 starb sie,
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