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Flut

Flut

Titel: Flut
Autoren: Daniel Galera
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leiden.
    Nein, nein.
    Sie ist jetzt schon deprimiert. Sie weiß Bescheid. Wenn sie allein bleibt, geht sie ein.
    Mach du es doch selbst. Du bist es doch, der keine andere Wahl hat. Ich schon. Ich mach da nicht mit.
    Ich schaff das nicht, Junge.
    Nein, nein.
    Du musst es mir versprechen.
    Vergiss es, Papa. Ausgeschlossen.
    Versprich es.
    Ich will nichts damit zu tun haben.
    Bitte.
    Nein. Das ist ungerecht.
    Du schlägst mir meinen letzten Wunsch aus.
    Ohne mich.
    Du wirst es tun. Ich weiß, dass du es tust.
    Nein. Das ist deine Sache. Ich kann das nicht. Tut mir leid.
    Ich weiß, dass du es tun wirst. Deswegen bist du hier.
    Du versuchst, mich zu überreden. Gerade eben hast du das noch als obszön bezeichnet.
    Ich will dich nicht überreden. Das ist vorbei. Es ist eine Bitte. Ich weiß, dass du mir das nicht abschlagen kannst.
    Du alter Scheißkerl.
    Ja, da hast du recht.
    Eine Szene von früher geht ihm durch den Kopf, eigentlich nicht der Erinnerung wert und in diesem Moment auch völlig fehl am Platz. Eines Morgens, bevor er zur Arbeit ging, rasierte sich sein Vater im Bad, die Tür stand offen, und er, sechs oder sieben Jahre alt, sah ihm dabei zu. Nachdem er fertig war, wusch er sich das Gesicht, indem er sich erst die Seife auf die Haut rieb und sie dann mehrmals abspülte. Schon nach dem ersten Mal war kein Schaum mehr zu sehen, aber er spritzte sich immer wieder Wasser ins Gesicht, vier oder fünf Mal. Er fragte ihn, warum er das tat, wo die Seife doch schon nach dem ersten Mal verschwunden war. Der Vater antwortete, als wäre es völlig offensichtlich: Weil es sich gut anfühlt.
    Meine Hand zittert, Papa.
    Du hältst das aus. Du bist etwas Besonderes.
    Halt den Mund.
    Ernsthaft, ich bin sehr stolz auf dich. Niemand sonst käme dafür in Frage.
    Ich habe nein gesagt.
    Ich hätte viel schlimmere Dinge von dir verlangen können. Dass du dich mit deinem Bruder verträgst zum Beispiel.
    Das würde ich, sobald du mir sagst, dass du dich über mich lustig machst. Ich fahr sofort zu ihm und nehm ihn in den Arm. Nächste Woche steigt die Grillparty.
    Netter Versuch. Aber in Wirklichkeit ist mir das egal. Ich an deiner Stelle würde ihm nicht verzeihen.
    Gut zu wissen.
    Ja, jetzt kann ich es dir ja sagen. Aber mit Beta darfst du mich nicht im Stich lassen. Sie ist fünfzehn Jahre alt, diese Rasse wird über zwanzig. Das Tier ist mein Leben. Hast du schon mal einen deprimierten Hund gesehen? Wenn sie ohne mich weiterleben muss, nehme ich ihren Schmerz mit in den Tod. Also, versprochen?
    Versprochen.
    Danke.
    Nein, nicht versprochen. Ich will damit nichts zu tun haben.
    Ich liebe dich, mein Junge.
    Ich habe nein gesagt. Nein. Fass mich nicht an.
    Hab ich doch gar nicht vor. Ich hab mich nicht mal bewegt.

2.
    Am Ende der Hauptstraße erscheint endlich das Meer, ein blauer Streifen hinter der Asphalt-Geraden, die in der Mittagssonne flirrt. Es ist sein Geburtstag. Er fährt im zweiten Gang, mit offenen Fenstern und eingeschalteter Lüftung, draußen ist es völlig windstill, das dumpfe Summen vermischt sich mit dem moderaten Brummen des Motors und der Musik von Ben Harper. Der Wagen ist überbeladen, und um den Boden nicht aufzureißen, bleibt er vor der Bremsschwelle fast stehen. Im Kofferraum und auf dem Rücksitz des kleinen Ford Fiesta liegen zwei Koffer mit Kleidung, eine Musikanlage, von der er noch zwei Raten abbezahlen muss, ein 29-Zoll-Fernseher, die Playstation 2, ein Rucksack mit persönlichen Sachen, eine Bettdecke und eine Decke aus Schafwolle, sorgfältig zusammengelegt, Plastiktüten mit Schuhen, CDs, Küchenzubehör. Außerdem Fotoalben, das Fleischmesser, das er von seinem Vater bekommen hat, ein Messer mit Griff aus Gürteltierleder und Stahlklinge, die von Zeit zu Zeit mit Stahlwolle gesäubert und geölt werden muss, der Neoprenanzug und das 20   ×   25   cm Bild im schwarzen Rahmen von der Triathlonweltmeisterschaft in Hawaii. Am Gepäckträger, der notdürftig an der Kofferraumhaube befestigt ist, hängt ein Mountainbike, dem man ansieht, dass es schon ein paar Jahre in Gebrauch ist, ein inzwischen veraltetes Modell mit dickem, schwerem Aluminiumrahmen. Beta schläft zusammengerollt auf dem Beifahrersitz, erschöpft von der Sonne und fünf Stunden Fahrt. Sie atmet regelmäßig, schnaubt und niest manchmal, öffnet die Augen und schließt sie wieder, ohne die Position zu verändern.
    In Osório hat er einen Toast mit Salami und Käse gegessenund an einer Tankstelle in der Nähe von Jaguarana eine
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