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Flug 2039

Flug 2039

Titel: Flug 2039
Autoren: Chuck Palahniuk
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abtropfen und tunkt es ins Paniermehl. Aber das will einfach nicht kleben bleiben. An manchen Stellen bleibt das Schnitzel frei. An anderen Stellen haftet das Paniermehl so dick, dass man nicht mehr erkennen kann, was darunter ist.
    Früher hat mir das großen Spaß gemacht. Die Anrufe von Leuten, die kurz vor dem Selbstmord stehen. Frauen. Allein mit meinem Goldfisch, allein in meiner dreckigen Küche, nur mit Boxershorts bekleidet, paniere ich ein Schweineschnitzel oder was weiß ich, und höre zu, wie irgendjemand betet. Und teile Rat und Schläge aus.
    Ruft da beispielsweise ein junger Mann an. Nachdem ich endlich eingeschlafen bin. Wenn ich nicht den Telefonstecker rausziehe, kriege ich solche Anrufe die ganze Nacht. Kaum machen die Kneipen zu, ruft mich irgendein Versager an und erzählt mir, er sitze in seiner Wohnung im Schneidersitz auf dem Fußboden. Er kann nicht schlafen, er hat dauernd ganz schreckliche Albträume. In diesen Träumen sieht er voll besetzte Flugzeuge abstürzen. Das alles wirkt so echt, aber keiner hilft ihm. Er kann nicht schlafen. Er findet niemanden, der ihm Hilfe anbietet. Er erzählt mir, er habe sich den Lauf eines Gewehrs unters Kinn geklemmt, und verlangt von mir, ich solle ihm einen einzigen guten Grund nennen, warum er nicht den Abzug drücken solle.
    Er kann nicht weiterleben, solange er die Zukunft kennt und nicht im Stande ist, irgendjemanden zu retten.
    Solche Opfer sind es, die anrufen. Diese chronisch Leidenden. Die rufen an. Unterbrechen meine armselige Langeweile. Das Ganze ist besser als Fernsehen.
    Ich sage: Tu es. Ich bin nur halb wach. Es ist drei Uhr morgens, und morgen muss ich arbeiten. Ich sage: Mach schnell, bevor ich wieder einschlafe, drück ab.
    Ich sage: Die Welt ist nicht so schön, dass er unbedingt drinbleiben und weiter leiden muss. An der Welt ist eigentlich gar nichts dran.
    Mein Hauptjob besteht darin, in einer Putzkolonne zu arbeiten. Vollzeitsklave. Teilzeitgott.
    Meine Erfahrung rät mir, das Telefon etwas vom Ohr wegzuhalten, wenn ich das leise Klicken des Abzugs höre. Dann kommt der Knall, ein knisterndes Krachen, und irgendwo poltert ein Hörer auf den Boden. Ich bin der letzte Mensch, mit dem der andere geredet hat, und schlafe längst schon wieder, bevor der Pfeifton in meinem Ohr leiser wird.
    Die Woche drauf sehe ich in den Todesanzeigen nach: eine Riesenanzeige wegen so einer belanglosen Sache. Aber die Anzeige ist wichtig, sonst kann man sich nie ganz sicher sein, ob es wirklich passiert ist oder ob man es nur geträumt hat.
    Ich erwarte nicht, dass ihr mir folgen könnt.
    Das ist nichts als eine etwas andere Art von Unterhaltung. Das gibt einem einen Kick, solcherart an den Hebeln zu sitzen. Der junge Mann mit dem Schrotgewehr hieß laut Todesanzeige Trevor Hollis, und es ist ein wunderbares Gefühl zu sehen, dass es ihn tatsächlich gegeben hat. Es ist Mord, andererseits aber auch nicht, es kommt ganz darauf an, wie viel davon man sich selber zuschreibt. Ich kann nicht einmal sagen, dass die Idee für diese Beratertätigkeit auf meinem eigenen Mist gewachsen ist.
    Die Wahrheit ist: Wir leben in einer furchtbaren Welt, und ich habe seine Leiden beendet.
    Die Idee kam ganz zufällig, als ich einen Zeitungsartikel über eine telefonische Beratungsstelle für echte Krisensituationen las. Die in der Zeitung angegebene Telefonnummer war meine, was natürlich ein Druckfehler war. Die Berichtigung am nächsten Tag hat kein Mensch gelesen, und von da an bekam ich Tag und Nacht Anrufe von Leuten, die mir ihre Probleme schilderten.
    Glaubt bitte nicht, ich sei dazu da, um irgendwem das Leben zu retten. Sein oder Nichtsein, damit gebe ich mich nicht ab. Und bildet euch nicht ein, dass Frauen von mir nicht auch so etwas zu hören bekommen. Verletzliche Frauen. Emotionale Krüppel.
    Einmal bin ich fast bei McDonald’s eingestellt worden, dabei habe ich mich um den Job nur beworben, um jüngere Mädchen kennen zu lernen. Schwarze Mädchen, lateinamerikanische, weiße und chinesische Mädchen: Das steht doch schon auf dem Bewerbungsbogen, dass McDonald’s Menschen jeglicher Herkunft einstellt. Mädchen, Mädchen, Mädchen, das macht sich gut hinter der Theke. Auf dem Bewerbungsbogen von McDonald’s steht ebenfalls: Wenn man eine der folgenden Krankheiten hat:
    Hepatitis A
    Salmonellose
    Shigellose
    Staphylokokken
    Giardiasis
    oder Campylobacter, dann darf man dort nicht arbeiten. Jedenfalls findet man dort mit größerer Sicherheit Mädchen als auf
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