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Fluesterndes Gold

Fluesterndes Gold

Titel: Fluesterndes Gold
Autoren: Carrie Jones
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weißt, dass ich nichts dafürkann.«
    »Du könntest einfach aufhören!« Ich zerre Jay noch eine Stufe tiefer, näher zu meiner Mutter hin. Sie schaut mich mit angsterfüllten Augen an. Ich würde sie gern umarmen, obwohl ich so wütend auf sie bin. Ich wünschte, sie wüsste, dass ich ihr vergebe, dass ich verstehe, was sie vorhat. Ich konzentriere mich auf ihn, auf den König.
    »Das liegt in unserer Natur«, sagt er.
    »Dann verändere deine Natur. Du musst nicht foltern. Du musst nicht töten.«
    »Dann würde ich sterben, und ein anderer Elf, der vielleicht viel grausamer ist und weniger Rücksicht nimmt auf menschliche Eigenheiten, würde meinen Platz einnehmen.«
    »So?«
    Meine Eltern schauen mich an. Jay schwankt, und ich stütze ihn.
    »Dauernd sterben Menschen für ein höheres Ziel. Märtyrer nennt man solche Leute. Außerdem hast du mich verfolgt, du hast meinen Namen gerufen und versucht, mich im Wald in die Irre zu führen. Das ist ein absolutes Tabu im Handbuch für gute Väter«, erkläre ich, nehme noch eine Stufe und stehe endlich auf dem Boden der Eingangshalle. Die Elfen zischen wie wilde Tiere. Sie schieben sich näher an mich heran, ziehen witternd die Luft ein, wahrscheinlich weil sie Jays Blut riechen. Sie sind hungrig und wollen saugen. Mit einer Handbewegung befiehlt der König ihnen zurückzuweichen. Sie gehorchen nur widerstrebend.
    »Ich habe mir gewünscht, dass du aus freien Stücken zu mir kommst«, sagt er zu mir. »Ich habe mir gewünscht, dass du deinen Vater kennenlernen möchtest.«
    »Damit das klar ist: Jemanden in die Irre führen hat nichts mit ›aus freien Stücken kommen‹ zu tun. Außerdem hast du dich für meinen Stiefvater ausgegeben, und das war einfach nur fies.«
    Meine Mom verlässt ihr weißes Viereck, kommt zu mir und legt den Arm um mich. Das fühlt sich gut an. »Er hat was getan?«
    »Ich war völlig verzweifelt«, erklärt er.
    »Das ist schwach. Das ist echt eine schwache Entschuldigung«, sage ich, während Jay zu Boden sinkt. Ich versuche ihn aufzufangen, aber ich bin zu klein, obwohl er so leicht ist. Kein einziger Elf macht auch nur den geringsten Versuch, seinen Fall zu stoppen. »Und jetzt müssen wir gehen. Ihr habt wahrscheinlich nicht zufällig einen Rollstuhl hier oder sonst was, in das ich Jay setzen könnte.«
    Meine Mutter neben mir erstarrt. »Zara …«
    Ich möchte ihr nicht ins Gesicht schauen, aber ich tue es. Ich krümme mich beinahe zusammen, denn das Loch in meinem Innern ist so riesengroß. »Mom?«
    »Was soll ich sonst tun, Zara?«
    »Und du willst einfach hierbleiben? Mit ihm? Dem Folterknecht?«
    Sie nickt langsam, lässt aber ihre Hände auf meinen Schultern.
    Ich stampfe mit dem Fuß auf wie ein kleines Kind. »Was Verrückteres habe ich mein ganzes Leben nicht gehört.«
    »Ich weiß, dass du mir das nicht immer abnimmst, aber du bist für mich das Wichtigste auf der Welt, und ich muss dich in Sicherheit wissen.«
    Ihre Augen streifen meinen Gips und nehmen Jay auf dem Fußboden wahr, dann küsst sie mich auf die Wange und wendet sich ab von mir und ihm zu: »Du lässt sie gehen. Du versprichst es. Du lässt sie gehen und belästigst sie nie wieder, wenn ich jetzt hierbleibe?«
    Er nickt. »Ich verspreche es.«
    »Mom!«
    Sie zieht mich ein letztes Mal an sich. »Es tut mir so leid, Zara. Ich habe gedacht, dies alles müsse nicht unvermeidlich geschehen, aber ich habe mich geirrt. Was ist meine Freiheit verglichen mit …«
    »Er macht einen Elf aus dir«, beharre ich. »Du wirst eine von ihnen.«
    Sie antwortet nicht.
    Ich entziehe mich ihrer Umarmung. »Du hast gesagt unvermeidlich. Nichts geschieht unvermeidlich.«
    Elfen drängen mich beiseite. Sie tragen mich zur Tür, bringen mich nach draußen und lassen mich in den Schnee plumpsen. Zwei andere legen Jay Dahlberg neben mich.
    »Ihr hättet ihm wenigstens ein paar Klamotten geben können!«, schreie ich, aber sie gehen einfach wieder hinein und schließen die Tür.
    Asthenophobie
    Die Angst vor Ohnmacht und Schwäche
    »Verdammt«, murmelt Jay. »Verdammt ist das kalt.«
    »Mach dir keine Sorgen«, sage ich und ziehe ihn mit einer Hand hoch. Er schafft es kaum. »Ich habe einen Plan.«
    Wir humpeln in Richtung Waldrand. Ich ziehe meine Jacke aus und versuche, sie ihm anzuziehen. Sie ist viel zu kurz und zu klein, obwohl er jetzt so dünn ist, aber sie ist besser als nichts.
    »Was machen wir jetzt?« Er schlottert vor Kälte.
    Seine nackten Füße sind blau.
    »Wir holen
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