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Fluesterndes Gold

Fluesterndes Gold

Titel: Fluesterndes Gold
Autoren: Carrie Jones
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weiß, was ich sonst tun sollte. Ich folge ihm, weil ich nicht will, dass Nick etwas passiert, und weil ich hoffe, dass mein Plan immer noch irgendwie mein Plan ist, dass sie uns irgendwie hierher folgen und mich und Jay finden. Ich folge ihm, weil ich herausfinden will, was für ein Monster mein Vater ist. Ja, genau. Mein Vater.
    Die große Eingangstür aus Mahagoni öffnet sich für uns. Er führt mich in die Eingangshalle. Eine Stufe, noch eine. Es riecht nach Wein und Fleisch und Pilzen. Helles Licht spiegelt sich in dem Marmorboden. An den gepolsterten Wänden entlang stehen Gestalten, die meisten tragen normale Kleider, aber manche haben auch Ballkleider oder einen Smoking an. Sie verbeugen sich, einer nach dem anderen, die ganze Halle ist voll von ihnen, es müssen über hundert sein. Aber sie sind keine Menschen, sie sind Elfen, deren wahre Gestalt nicht von dem Zauber verborgen wird. Ihre Zähne sind spitz, wie die eines Hais, und ihre Haut schimmert blau. Ihre Beine sind lang, länger als normal. Meine Knie zittern.
    »Mein Gefolge, der dunkle Hof«, verkündet der König. »Bitte erhebt euch.«
    Die Elfen richten sich auf. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich winke schüchtern, während alle Augen mich anstarren, silberne Elfenaugen.
    »Wir treffen uns im hinteren Ballsaal«, sagt er und schiebt mich zu einem Seiteneingang. Bevor er die Tür schließt, sehe ich noch, wie die Elfen davongehen.
    »Sind das alle Elfen, die es gibt?«, frage ich.
    »Nein, nur die meisten Elfen aus diesem Revier. Alle, die zu mir gehören.«
    »Es gibt mehr als ein Revier?«
    »Ja, klar.«
    »Klar. Natürlich.« Ich gehe zum Fenster und schaue hinaus in den Schnee.
    »Ich lasse dich jetzt allein, damit du auf deine Mutter warten kannst«, sagt er. »Ich muss meine Vorbereitungen treffen. Beweg dich ruhig frei im ganzen Haus, Zara. Weggehen kannst du aber leider nicht.«
    »Ich bin also eine Gefangene.«
    »Ein Gast.«
    »Gäste können gehen«, sage ich. Dann richte ich den Blick auf ihn. »Ich will Jay Dahlberg sehen.«
    Er weicht zurück.
    »Ich bestehe darauf«, sage ich.
    »Er ist oben. Zwei Treppen. Dritte Tür rechts. Es ist kein schöner Anblick, Zara. Aber ich kann nicht verhehlen, was ich bin. Was ich brauche.«
    Ich betrachte die wunderbaren Vorhänge, das Ledersofa, den Luxus, die Orchideen überall. »Nichts hier ist schön.«
    Sobald er aus der Tür ist, zähle ich bis sechzig und dann mache auch ich mich auf den Weg. Ich gehe die weiße Marmortreppe mit dem dunkelroten Orientteppichläufer hinauf. Eine Treppe. Eine zweite. Vorbei an Elfen, die mich zornig anfunkeln oder schnuppernd die Luft einziehen. Ihre Bewegungen sind zu fließend, ihre Augen zu wild, als dass sie Menschen sein könnten. Sie schauen mich an wie eine Beute. Einige berühren meinen Arm oder mein Haar und flüstern: »Prinzessin. Prinzessin.« Mit größter Anstrengung bringe ich mich dazu, nicht schreiend davonzulaufen, sondern weiter die Treppe hinaufzugehen, bis ich im zweiten Stock angekommen bin.
    Ich zähle die Türen und versuche, mich zu konzentrieren und meinen Herzschlag zu beruhigen. Und dann kommt die Tür, die Tür hinter der Jay Dahlberg sein müsste. Es ist eine ganz normale Holztür mit einem goldglänzenden Türknauf, in den ein runenartiger Schriftzug eingraviert ist. Ich frage mich, wie viele Gefangene wohl hinter solchen ganz gewöhnlichen Türen festgehalten werden. Tief Luft holend drehe ich den Türknauf und öffne die Tür.
    Jay Daylberg liegt auf der Seite auf den Laken eines großen Bettes. Seine Arme sind voller Bisswunden. Er trägt nur Boxershorts und ein zerrissenes T-Shirt.
    »Oh Gott, Jay«, flüstere ich und schließe die Tür.
    Er rührt sich nicht, als ich leise über den hochflorigen Teppich gehe, wieder ein Perser und wieder handgeknüpft. Und er bewegt sich nicht, als ich ihn am Arm anfasse, direkt über den fünf Schnittwunden, wo sie ihm wahrscheinlich Blut abgezapft haben. Seine Haut unter meinen Fingerspitzen fühlt sich eiskalt an und ist in dem fluoreszierenden Licht ganz blass. Sein Rücken ist voller Schnittwunden und blauer Flecken.
    »Jay?«, spreche ich ihn an und berühre ihn ein bisschen fester. »Jay?«
    Er stöhnt. Seine Lider flattern und öffnen sich. Seine Lippen sind aufgesprungen, können sich aber noch bewegen: »He, du bist doch das neue …«
    »Mädchen. Ja, ich bin das neue Mädchen«, sage ich für ihn. »Ich binde dich jetzt los und hol dich hier raus.«
    Seine Augen weiten sich
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