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Fluegelschlag

Titel: Fluegelschlag
Autoren: Jeanine Krock
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Er war ziemlich gewachsen und schien genau zu wissen, was er wollte. Bei ihr dauerte es etwas länger, aber nachdem sie vergeblich versucht hatte, ihn ins Haus zu locken und er immer wieder zum Gartenzaun lief, folgte sie ihm bis Crescent Gardens.
    »Wohin schleppst du mich denn?«, fragte sie. Normalerweise mied Juna den kleinen Park, der auch tagsüber von Gangs unsicher gemacht wurde, die sich mit Vorliebe auf dem Kinderspielplatz trafen. Der Regen aber hatte heute selbst die Hartnäckigsten unter ihnen vertrieben. »Finn, was ist los?« Sofort hatte sie das Bild einer hilflosen Frau vor Augen, die irgendwo da draußen lag und die nächsten Stunden vermutlich nicht überstehen würde. Sie zögerte nicht. »Bring mich zu ihr!«
    Juna würde Iris’ Anblick niemals vergessen: ein blutiges Bündel, kaum ansprechbar. »Du holst dir den Tod!« Vor Angst schrie sie fast. Dann versuchte sie vergeblich, das
Mädchen zum Aufstehen zu bewegen. »Himmel, Finn, wenn du doch nur helfen könntest!«
    »Finn?« Dicke Regentropfen schlugen auf das Blätterdach über ihnen, Iris war kaum zu verstehen.
    Sie musste im Delirium sein, denn plötzlich lachte sie irre und rief: »Ich habe ihn vertrieben! Du bist frei. Hörst du, mein Kleiner? Frei! Er kann dir nie wieder etwas tun.«
    Juna tat das Einzige, was ihr einfiel: Sie schulterte Iris und versuchte, sie in Sicherheit zu bringen. Bei jedem Schritt wünschte sie sich sehnlicher, die letzten Trainingsstunden ihres Sportclubs nicht versäumt zu haben. Als das Mädchen schließlich von ihrem Rücken auf den Küchenboden glitt, spürte sie ihre zitternden Muskeln längst nicht mehr, und die feuchte Kälte war jenseits jeder Wahrnehmung ein Teil ihrer Existenz geworden. Finn streckte sich auf den kalten Fliesen aus, legte den Kopf auf die Pfoten und sah zu Juna auf, als erwarte er eine Erklärung von ihr.
    Sie hockte sich zu ihm und kraulte ihn hinter dem kurzen Ohr. »Wir kriegen sie wieder hin.« Sie sah zu ihrem Großvater. »Nicht wahr, du kannst ihr helfen?«
    Zum Glück schien er genau zu wissen, was zu tun war. Er schrieb ein paar Zeilen und steckte den Zettel in einen Umschlag. Damit schickte er Juna zu einem befreundeten Apotheker, um Medikamente zu holen, wie er sagte. Sein Freund war zwar nicht mehr der Jüngste, aber an diesem Abend hatte er sich besonders viel Zeit genommen, um eine Salbe zusammenzurühren, fand Juna. Als sie schließlich zurückgekommen war, hatte Iris auf dem Sofa in der Wohnküche gelegen und geschlafen. Sie hätte schwören können, dass ihr Großvater sie nur fortgeschickt hatte, um sie aus dem Weg zu haben. Doch aus Erfahrung wusste sie, dass er ihre Fragen
nicht beantworten würde, sosehr sie ihn auch löchern mochte. Also bekam Finn eine große Portion Futter für seinen heldenhaften Einsatz, ohne den das Mädchen diese Nacht womöglich nicht überlebt hätte, und Juna, die von dem Abenteuer sehr erschöpft war, ging ins Bett.
    Am nächsten Morgen erwartete sie eine Überraschung. Die warme Küche war hell erleuchtet, der Tisch gedeckt. Im Herd brutzelten Würstchen, davor stand Iris mit einer Schürze um die Hüften und bereitete Rühreier mit Speck zu.
    »So mag ich mein Frühstück!« Connor MacDonnell blinzelte seiner Enkelin zu und goss Sahne ins Porridge. Er sah müde aus, und sie hätte wetten können, dass er die ganze Nacht bei seiner Patientin gewacht hatte. »Gib mir doch bitte den Toast!« Er ignorierte ihren fragenden Blick und schob eine Tasse Tee zu Juna über den Tisch. »Gute Arbeit!«, flüsterte er ihr zu, bevor er Iris herbeirief, die eine riesige Portion auf seinen Teller häufte. »Das ist mein Plan«, sagte er zwischen zwei Bissen. »Da meine Enkelin absolut nicht kochen kann und den ganzen Tag in der Universität oder hinter ihren Büchern sitzt …« Er ignorierte Junas empörtes Schnauben, biss in ein fettes Würstchen und sprach kauend weiter: »… brauche ich dringend jemanden, der mir in der Praxis hilft und den Haushalt schmeißt.« Als Juna protestieren wollte, hob er die Hand. Sie kannte diese Miene. Großvater plante etwas und wünschte keinen Widerspruch. Also schloss sie den Mund, butterte konzentriert ihr Toast und wartete gespannt auf das, was nun kommen würde.
    »Iris war so freundlich, mir ihre Unterstützung zuzusagen«, löste er das Rätsel nach einem weiteren Würstchen auf. »Und Finn wird eines Tages einen famosen Wachhund
abgeben!« Sprach es, stand auf und wischte die Hände an den ausgebeulten
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