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Fluchtpunkt Aqualung

Fluchtpunkt Aqualung

Titel: Fluchtpunkt Aqualung
Autoren: Jo Zybell
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stieg. »Überlebenssysteme anlegen! Sie wollen uns betäuben! Helme schließen! Keine Fragen – Helme schließen, sage ich …!«
    Er hatte seinen gerade verriegelt, da tauchte schon ein Bewaffneter im Lukenrahmen auf. Jetzt war es soweit: Laserkaskaden schlugen im Wandfach zwischen den Schutzanzügen ein, Calibo Veron aber hatte sich zur Seite fallen lassen und schoß auf den Angreifer, traf ihn. Der krümmte sich, drehte sich zweimal um sich selbst und brach auf der Schwelle zusammen.
    Veron robbte zu ihm, feuerte dabei ununterbrochen durch die Luke in den Gang hinaus, schon spritzten Schaum und Wasser aus den Deckendüsen. Unterschiedliche Alarmtöne heulten auf – Notfall- und Feueralarm. Veron zerrte den leblosen Körper ins Magazin, verriegelte die Luke. Danach kniete er neben dem getroffenen Angreifer. Runter mit dem Helm – er zuckte zurück, als er die verzerrten Gesichtszüge der Toten erkannte: Es war Leutnant Zeelia Peer-Robinson …
     
    *
     
    Durch die wenigen Wolkenlücken schimmerte die rötliche Planetenoberfläche. Der Rabe breitete die Schwingen aus, schüttelte das Gefieder und gackerte heiser. »Der Ozean«, sagte Yakubar Tellim. »Moses freut sich schon auf einen Rundflug über der Brandung.«
    »Ein roter Ozean?« Venus Tigern wunderte sich. »Unsere Eltern erzählten immer von blauen Meeren.« Sie saß neben Tellim und überwachte die Navigations- und Aufklärungsinstrumente. Von hinten streckte ihr Bruder Plutejo seinen großen, schwarzlockigen Schädel zwischen die beiden Vordersitze. Seine Augen glänzten. Nichts von dem, was es in den Sichtfeldern der Instrumentenkonsole und außerhalb des Frontfensters zu sehen gab, wollte er sich entgehen lassen. Der Rabe auf Yakus Sessellehne äugte zu ihm hinunter.
    »Das Meerwasser auf Aqualung ist ziemlich eisenhaltig«, erklärte Yaku. Wie die beiden Geschwister hatte der Siebzigjährige, der nur noch ein Auge besaß, den Helm seines Überlebenssystems zurückgeklappt. Sie hatten die Schutzanzüge aus dem Magazin der MEXIKO gestohlen. »Richtig rot wirkt es nur von hier oben. Wenn man an der Küste steht, fällt einem der Rotstich erst beim zweiten Hinsehen auf.«
    »Wann warst du hier, Yakumann?« fragte Venus.
    »Da gab's euch noch nicht.«
    Yakus weißes Langhaar war strähnig und fettig. Ein grauer Stoppelbart bedeckte seine untere Gesichtshälfte. Auch der über fünfzig Jahre jüngere Plutejo sah struppig und verkommen aus. Seine Nägel waren schwarz, sein Gesicht schmutzig, hohlwangig und blutverkrustet. Seine ältere Schwester machte kaum einen zivilisierteren Eindruck.
    Während der vielen Tage auf dem gekaperten Aufklärer hatten sie keine Gelegenheit zum Waschen gehabt. Wie sollte man sich auch waschen in einem Maschinenleitstand oder einem Gefechtsleitstand, wenn Kampfroboter alle vier Zugänge belagerten? Weil sie jedoch alle drei gleichermaßen stanken, störte es keinen. Sie waren entkommen, sie lebten noch – das allein zählte.
    »Was sind das für Leute, die da unten leben?« wollte Plutejo wissen.
    Yaku lachte trocken. »Leute ist gut …«
    War es wirklich schon dreißig Jahre her, daß er zum ersten und bislang letzten Mal auf diesem Planeten gelandet war? Ja, doch – Anfang der zwanziger Jahre, wenn er sich recht erinnerte. Jedenfalls war er damals schon Primhauptmann und Erster Offizier eines leichten Kreuzers gewesen.
    »Sie gehen zwar auf zwei Beinen, haben auch zwei Arme, und sogar ihre Augen tragen sie wie du und ich irgendwo zwischen Stirn und Nasenspitze.« Yakubar rief sich die geschmeidigen Pelzkörper der Aqualung-Bewohner ins Gedächtnis. Augenpaare geisterten über seine innere Bühne, hellgrün oder bernsteinfarben, Gesichter, die er nie mehr vergessen hatte. »Aber … nun ja … als Leute würde ich sie nicht bezeichnen.«
    »Sondern?« Venus musterte ihn von der Seite.
    »Was soll ich sagen – es sind komische Figuren; ziemlich seltsam und alles andere als witzig, wenn man an die Falschen gerät. Sie nennen sich Kalosaren . Übersetzt in Terrangelis bedeutet das etwa Herren der Lebendigen . Ich weiß, das klingt nicht sehr verheißungsvoll, aber laßt euch einfach überraschen, einverstanden?«
    Venus und Plutejo sahen sich an, und in ihren Blicken lag etwas, das sich nicht zwischen Furcht und Neugier entscheiden wollte.
    Einmal mehr machte Yaku sich klar, daß die beiden ihr bisheriges Leben unter dem Eis und im Höhlenlabyrinth von Genna verbracht hatten. Nichtmenschliche Intelligenzen kannten sie nur
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