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Flucht über den Himalaya

Flucht über den Himalaya

Titel: Flucht über den Himalaya
Autoren: Maria Blumencron
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einen Verein zur Unterstützung tibetischer Exilkinder gegründet, der den Namen »Shelter 108« trägt. Seitdem spricht Tamding davon, später einmal als Projektmanager für unseren Verein zu arbeiten. Er führt ein kleines Büchlein, in dem er sorgfältig alle Schwachpunkte meiner Arbeit notiert. Und er ist stolz auf unsere Projekte – auf die zwei Kinderhäuser, die wir mittlerweile in Dharamsala gebaut, das Kinder- und Jugendhostel, das wir letztes Jahr in Kathmandu eröffnet und die vielen tibetischen Kinder und Jugendlichen, die wir nun schon an deutsche Paten vermittelt haben.
    Tamding identifiziert sich sehr stark mit unserer Arbeit, und es wäre äußerst beglückend für mich, wenn er tatsächlich eines Tages mit seinem großen Kommunikationstalent das Management für Shelter 108 führen würde.
    Tamding wird der erste ›unserer‹ sechs tibetischen Kinder sein, den wir nach Deutschland zu holen versuchen. Und darauf freut sich – neben vielen anderen Menschen – einer in ganz besonderem Maße: Unser kleiner Sohn Simon.
    Aus unserem kugelrunden Baby ist ein hochgewachsener Schuljunge mit zwei großen Zahnlücken geworden. Mit seinen sieben Jahren ist Simon nun etwa so alt wie Little Pema und Dolker bei ihrer Flucht.
    Simon ist ein ganz besonderes Kind, denn er läßt mich immer wieder aufs neue gehen. Nie war er böse, wenn ich verreist bin. Er weint auch nicht beim Abschied. Er freut sich bloß, wenn ich wiederkomme. Und ich bin ihm unendlich dankbar für diese Gabe, seine Mutter immer wieder leichten Herzens gehen zu lassen.
    Zur Jahreswende 2008 auf 2009 ist es mir endlich gelungen, Simon mit seinen tibetischen ›Geschwistern‹ in Nepal zusammenzubringen. Jahrelang hat die »new family« auf diesen Moment gewartet. Und als er dann endlich da war, nahmen sie Simon sofort in ihre Mitte. Der leere Raum, den mein häufiges Fehlen in seine Kindheit gerissen hat, schien nun ganz ausgefüllt mit ihrer Liebe. Und als wir wieder nach Deutschland zurückkehren mußten, weinte Simon beim Abschied so sehr, wie ich mein Kind noch nie habe weinen sehen.
    Suja ist immer noch auf der Suche nach seinem Glück. Die Ehe mit Corinne endete, kurz nachdem dieses Buch im Frühjahr 2003 fertiggestellt war. Der Schritt aus Tibet in die westliche Welt war wohl damals zu groß. Die Liebe zerbrach an den Schwierigkeiten des Alltags, und Suja kehrte nach Indien zurück. Die sechs Kinder freuten sich, doch das Leben unseres ›Soldier‹ stand seitdem still.
    Im letzten Frühjahr begleiteten mich Suja und unser alter Freund Pema bei einer Lesetour zu meinem neuen Buch »Auf Wiedersehen, Tibet« durch Deutschland und Österreich.
    An einem der Abende waren wir in eine ganz besondere Einrichtung für schwererziehbare Kinder und Jugendliche eingeladen. Dort war man so angetan von Suja und seiner Geschichte, daß man ihm anbot, ein Jahr zu bleiben. Nun arbeitet Suja mit Kamelen und Pferden, die zur psychologischen Unterstützung der Kinder und Jugendlichen eingesetzt werden.
    Suja hat sein neues Leben in Deutschland nicht alleine begonnen. Kurz vor seiner Abreise aus Indien heiratete er noch einmal: Dolma heißt nun die Schöne an seiner Seite – genauso wie Pemas Frau, der unser ehemaliger ›Streetboy‹ nach Kanada folgte.
    Eine junge Frau hat auch Lobsangs Leben verändert: Bald nachdem er seine dunkelrote Mönchsrobe abgelegt hatte, verliebte sich Lobsang. Allerdings nicht in irgendein beliebiges Mädchen, sondern in damals amtierende Miss Tibet 2003!
    Es war die erste Miss-Tibet-Wahl in Dharamsala, die für reichlich Aufregung in der tibetischen Exil-Gemeinde sorgte. Man war sich nicht einig, ob diese Art westlicher Impulse in die traditionelle tibetische Exilgemeinschaft Einzug halten sollte. Tsering Kye, ein junges, schönes Flüchtlingsmädchen aus der Provinz Amdo, ging schließlich als Siegerin aus dem umstrittenen Wettbewerb hervor. Kurz darauf eroberte Lobsang ihr Herz, und die beiden wurden ein Paar. An Tsering Kyes Seite entdeckte der ehemalige Mönch auch seine eigene Schönheit und beschloß, Fotomodell zu werden. Er wanderte nach Frankreich aus und bekam dort sein Asyl. Fast drei Jahre arbeitete er in Paris, der Metropole der Mode – allerdings nicht als Fotomodell, sondern als Koch. Und die Beziehung zu Tsering Kye zerbrach.
    Als Lobsang uns dann im Sommer 2008 in Köln besuchte, hatte ich das Gefühl, daß er den Weg zu einem wirklich erfüllenden Dasein trotz redlicher Bemühungen noch nicht gefunden hatte.
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