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Flucht in die rote Welt

Flucht in die rote Welt

Titel: Flucht in die rote Welt
Autoren: John D. MacDonald
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an. »Sabbith fing als Texter an. Wissen Sie, was er jetzt ist? Er ist der Texter und der Regisseur und der Produzent. Das feiern wir, Freund. Und Steifheit wird nicht geduldet. Holen Sie sich eine Puppe, schöpfen Sie Wein, hüpfen Sie herum. Was ist Ihr Fachgebiet, Freund?«
    Kirby sah ihn schräg an. »Philanthropie.«
    »Du liebe Güte, schon wieder eine Agentur?«
    Wieder klirrten Gläser. Ein spindeldürres Mädchen führte auf dem Bett einen Trampolin-Akt vor und erntete gelangweilten Beifall. Die nächste Platte war kubanisch, aus der Zeit, als die Kubaner noch ein fröhliches Volk waren.
    Eine Vision schwebte zu Noonan und Kirby herüber. Sie war eine junge Ingrid, eine jüngere Greta, eine jugendliche Marlene. Sie schwebte dahin, als sei sie eben erwacht oder als habe sie eine über den Kopf bekommen. Sie hatte große, schräge, verträumte blaugraue Augen, hohle Wangen, feines goldenes Haar und einen überlangen Hals. Sie schien am Rande der Tränen zu sein, und in ihrer rauchigen Stimme klang Herzzerbrechen mit.
    »Noony«, gurrte sie, »hat der da meinen Schminkkoffer gebracht?«
    Noonan ging mit ihr um, als sei sie die letzte Überlebende einer unvorstellbaren Katastrophe. »Nein, Liebling, tut mir leid. Zeig ihm mal, was du kannst.« Er wandte sich an Kirby. »Wie war doch gleich Ihr Name? Eddie? Eddie, das hier ist Minta Burleigh. Fang an, Minta.«
    Sie sah Noonan und ihre leeren Hände an und fragte trauernd: »Was soll ich nehmen?« Noonan reichte ihr seine Zigarettendose. Sie drehte sich langsam um und richtete den Blick auf Kirby. Sie hielt die Zigarettendose hoch. Sie lächelte Kirby an, und es war, als sei ein Sonnenstrahl durch den schläfrigen Nebel gedrungen. »Für die siebente Einsamkeit«, sagte sie mit bebendem Alt. »Parmalon! In der Schmuckkassette für die verwöhnte Frau!« Ihre Augen wurden glanzlos, als hätte man die elektrischen Lichter eines Weihnachtsbaumes ausgeschaltet.
    »Sei nett zu Eddie, Liebling«, sagte Noonan. »Ich muß mich um Harry kümmern.«
    Minta schwankte leicht und sah Kirby an. Die großen Augen schienen einen Moment lang zu schielen. Dann legte sie ihm die weiche Wange an die Brust. »Okay«, murmelte sie. »Aber mach meine Frisur nicht kaputt.«
    Bonny Lee erschien hinter Minta und sah Kirby mit einem sonderbaren Gesichtsausdruck an. »Na, amüsierst du dich?«
    Kirby versuchte sich sanft von Minta zu lösen. Er hatte Angst, ihr etwas zu brechen. »Ich habe hier auf dich gewartet«, erklärte er.
    »Und dir die Zeit vertrieben. Wo hast du denn dieses Pestopfer aufgegabelt?«
    Minta drehte sich schwankend um und sah Bonny Lee an. »Wo kommen denn all die Bauern her?«
    Bonny Lee zog langsam die geballte Rechte zurück. Kirby entdeckte einen der Snobs in dunklem Anzug, der mit geschlossenen Augen zu den lateinamerikanischen Rhythmen hin und her schaukelte. Er hob Minta an der zerbrechlichen Taille hoch und lehnte sie gegen den Jüngling. Sie schmiegte sich sofort an seine Brust. Der Mann öffnete nicht einmal die Augen. Nach wenigen Sekunden begannen die beiden träge zu tanzen.
    »Genauso war es bei mir, Bonny Lee«, sagte Kirby.
    »Klar. Und du hast sie festgehalten – für den Fall, daß ich nicht auftauchen sollte.«
    »Bonny Lee, wir haben soviel zu besprechen, daß wir jetzt nicht mit einer Szene anfangen können. Ich habe mir große Sorgen um dich gemacht. Wir müssen überlegen, was wir als nächstes tun wollen.«
    »Sieht so aus, als wüßtest du es bereits.« Sie warf einen Blick auf die Partyteilnehmer. »Mensch, von denen ist keine Hilfe zu erwarten. Die sind bereits hinüber. Ich begrüße rasch noch Bernie, und dann verdrücken wir uns.«
    »Mußt du ihn denn überhaupt begrüßen?«
    »Weshalb nicht? Du tanzt mit jedem Skelett, und ich darf nicht mal einen Freund begrüßen?«
    »Du machst dir ein falsches Bild von dem Mädchen, Bonny Lee. Es war überhaupt nichts zwischen uns beiden. Aber ich mache mir kein falsches Bild von Bernie.«
    Sie trat einen Schritt näher und funkelte ihn an. »Bernie ist ein Freund von mir und nicht mehr als das, und ich bin es gewöhnt, meine Freunde zu begrüßen, klar?«
    »Nicht mehr als ein Freund! Halte dich daran.«
    Er sah ihr nach, wie sie sich durch die Tanzenden schlängelte, und setzte eine wütende Miene auf, als Bernie sie umarmte. Dann drehte er sich um und ging zur Tür. Bonny Lee kam ihm nach, stolperte im Gewühl und hielt sich an ihm fest. Er spürte ihre Hand in der Seitentasche der Kordjacke.
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