Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Flucht aus Oxford

Titel: Flucht aus Oxford
Autoren: Veronica Stallwood
Vom Netzwerk:
er sie im Handumdrehen auf sehr wenig elegante Weise wieder dorthin zurückbefördert, das wusste sie genau. Sie versuchte es gar nicht erst. Seit mehr als zwanzig Minuten saßen sie nun bereits in der Ausstellungshalle, und Kate hätte gern gewusst, auf wen oder was sie warteten. Trotzdem hütete sie sich zu fragen. Sie war sich nämlich durchaus nicht sicher, ob ihr die Antwort gefallen würde.
    Derek sah in seiner Barbourjacke und der Tweedkleidung wie das Muster eines englischen Landedelmannes aus. Unter seiner harmlosen Miene, die an Jon Hope-Stanhope erinnerte, verbarg sich jedoch eine eiserne Entschlossenheit, die Kate kalte Angstschauder über den Rücken jagten. Sie wusste nur eins: Ganz gleich in welche illegalen Aktivitäten Derek verwickelt war – sie brachten ihm eine Stange Geld ein. Nie im Leben würde er dieses ansehnliche Zusatzeinkommen einfach so aufgeben. Und eine unbequeme Schriftstellerin würde er vermutlich ohne großes Federlesen unschädlich machen. Nach einiger Zeit würde man dann im Pfarrhaus anrufen und Tim rufen, damit er eine dritte Leiche identifizierte. Irgendwie musste sie es schaffen, ihr Gegenüber zu überlisten, doch im Augenblick sah es so aus, dass Derek sowohl mental als auch körperlich der Überlegene war.
    »Ich sehe, dass Sie eine Menge Geld verdienen«, argumentierte sie. »Und vermutlich auf Kosten einiger armer Bauerntölpel in Osteuropa. Sie luchsen ihnen für ein paar kümmerliche Pfund ihr Mobiliar ab, holen es nach England, restaurieren es und verkaufen es für Hunderte, wenn nicht gar Tausende weiter. Aber das ist, soviel ich weiß, nicht illegal. Immerhin stecken Sie eine Menge Arbeit hinein und schaffen Arbeitsplätze für ein paar Dutzend Leute – Handwerker, genau genommen. Nicht zu vergessen die Fahrer und die Lagerarbeiter. Ich würde fast sagen, Sie sind ein wahrer Menschenfreund. Mir ist immer noch nicht klar, was ich bei Ihnen Unrechtes entdecken könnte.«
    Derek antwortete nicht. Er hielt seinen Blick starr auf einen Punkt irgendwo im Raum gerichtet, als würde Kate gar nicht existieren.
    »Tun Sie nicht so, als ob Sie es nicht gehört hätten«, bequemte er sich schließlich, das Wort an sie zu richten. »Ich weiß, dass Sie es getan haben. Und ich bin sicher, dass Sie längst durchschauen, was die Geräusche zu bedeuten haben.«
    Nach einer langen Wartezeit fragte sich Kate schließlich, ob sie ihm erzählen sollte, dass sie an diesem Morgen noch nicht ihre übliche Dosis Koffein zu sich genommen hatte und sich an nichts erinnerte, als an das Geräusch des ankommenden Wagens, der das Tor passierte. Sie hatte gehört, wie sich das Tor mit dem inzwischen vertrauten metallischen Dröhnen schloss und dass es zweifellos auch verriegelt und abgeschlossen worden war. Selbst wenn Roz ihre Nachricht gelesen hatte und sich inzwischen fragte, wo Kate geblieben war, wäre sie jetzt nicht mehr in der Lage, Gatts Farm zu betreten und nach ihr zu suchen. Am liebsten hätte Kate geschrien und getobt, doch ein Blick in die unbewegten Gesichter der Hünen verriet ihr, dass es vernünftiger war, sich ruhig zu verhalten.
    Über das Pflaster des Hofes näherten sich rasche Schritte. Die Außentür wurde geöffnet und unsanft wieder geschlossen, und jemand betrat die Ausstellungshalle. Kate drehte sich um.
    »Hallo, Tony«, begrüßte sie den Ankömmling ohne die geringste Überraschung. »Oder sollte man Sie lieber den Raben nennen, wenn Sie Ihr Gangster-Outfit tragen?«
    »Schweigen Sie«, sagte Tony ohne jede Gefühlsregung. »Dad, worum geht es hier eigentlich? Was hat die Frau hier zu suchen? Und warum zum Teufel holst du mich von meiner Arbeit weg? Muss ich mich etwa um alles allein kümmern?«
    »Keine Widerworte«, raunzte Derek. »Schließlich sind es deine Sexspielchen mit diesem Mädchen gewesen, die uns in die Scheiße geritten haben. Nachdem du dich damals darauf verlassen hast, dass ich dir aus der Klemme helfe, kannst du mich jetzt wenigstens dabei unterstützen, hier reinen Tisch zu machen.«
    »Entschuldigen Sie seine Ausdrucksweise«, sagte Tony zu Kate, als befänden sie sich immer noch im Senior Common Room des Leicester.
    »Ich wünschte, mir würde endlich jemand erklären, was hier eigentlich los ist«, beklagte sich Kate. »Ich wollte nur einen kurzen Spaziergang vor dem Frühstück machen, scheine aber mitten in eine ziemlich unheimliche Entführungsgeschichte geraten zu sein. Meine Mutter wird sich bestimmt schon Sorgen machen, wo ich geblieben
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher