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Fluch, Der: Roman

Fluch, Der: Roman

Titel: Fluch, Der: Roman
Autoren: Stephen King
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ängstlich und entnervt. Billy war nicht sonderlich überrascht, daß er für diese Stimme überhaupt nichts mehr empfand – nicht einmal Neugier.
    »Das tut nichts zur Sache«, antwortete er. »Ich komme nach Hause.«
    »Er ist vernünftig geworden! Gott sei Dank! Er ist endlich vernünftig geworden! Landest du in La Guardia oder auf dem Kennedy-Flughafen? Ich hol' dich ab.«
    »Ich werde fahren.« Billy zögerte einen Moment. »Heidi, ich möchte, daß du Mike Houston anrufst und ihm sagst, du hättest deine Meinung in bezug auf die res gestae geändert.«
    »Die was? Billy, wovon ...?« Aber er erkannte an der plötzlichen Veränderung ihres Tons, daß sie genau wußte, wovon er sprach. Es war der schuldbewußte Tonfall eines Kindes, das beim Marmeladenaschen erwischt worden war.
    Auf einmal verlor er die Geduld mit ihr.
    »Die Entmündigungspapiere«, sagte er scharf. »In unserer Branche auch als Beklopptenschein bekannt. Ich habe hier alles, was ich mir vorgenommen hatte, erledigt und werde mich gern in jede Klinik einweisen lassen, in der du mich haben willst - die Glassman-Klinik, das New-Jersey-Goat-Gland-Zentrum, das Midwestern-College für Akupunktur.
    Aber wenn mich ein Bulle schnappt, sobald ich die Grenze nach Connecticut überschreite, und mich in Newark in die staatliche Irrenanstalt steckt, dann wird dir das sehr, sehr leid tun, Heidi.«
    Sie weinte. »Wir haben doch nur getan, was wir für das beste hielten ... für dich, Billy. Eines Tages wirst du das einsehen.«
    In seinem Kopf meldete sich Taduz Lemke zu Wort: Es ist nicht dein Fehler ... es gibt Gründe ... du hast Freunde. Er verdrängte die Stimme, aber sie hatte ihm doch eine Gänsehaut über den Nacken gejagt. Langsam kroch sie ihm über den Hals ins Gesicht.
    »Laß nur ...« Diesmal unterbrach Ginellis Stimme ihn: Nimm's weg. Nimm's weg. William Halleck sagt, nimm es von ihm.
    Die Hand. Die Hand auf dem Sitz. Ein Weißgoldring mit einem roten Stein am Ringfinger - ein Rubin vielleicht. Feine schwarze Härchen auf den Fingerknöcheln. Ginellis Hand.
    Billy schluckte schwer. Er hörte fast ein Klicken in seiner Kehle.
    »Laß nur das Papier für null und nichtig erklären«, sagte er.
    »In Ordnung«, antwortete sie hastig und kam dann zwangsläufig auf ihre Selbstrechtfertigung zurück. »Wir haben nur ... ich habe doch bloß ... ich dachte ... du bist auf einmal so dünn geworden, Billy. Und du hast so verrücktes Zeug geredet.«
    »Ist ja gut.«
    »Das klingt, als ob du mich haßt.« Sie fing wieder an zu weinen.
    »Sei nicht dumm« - was nicht gerade ein Dementi war.
    Er wurde ruhiger. »Wo ist Linda? Ist sie zu Hause?«
    »Nein. Sie ist für ein paar Tage zurück zu Tante Rhoda gefahren. Sie ist... all das hat sie sehr aufgeregt, Billy.«
    Und ob! dachte er. Sie war inzwischen schon einmal von ihrer Tante nach Hause gekommen. Das wußte er, denn er hatte am Telefon mit ihr gesprochen. Und jetzt war sie wieder gefahren. Heidis Stimme verriet ihm, daß es diesmal aus eigenem Antrieb geschehen sein mußte. Hat sie etwa herausgefunden, daß du und der gute alte Mike Houston dabei wart, ihren Vater für verrückt erklären zu lassen, Heidi? Ist es das, was passiert ist? Aber das war jetzt nicht so wichtig. Wichtig war einzig und allein, daß Linda nicht zu Hause war.
    Seine Augen streiften die Torte, die er in seinem Northeast Harbor Motel auf seinem Fernseher abgestellt hatte. Die Kruste bewegte sich immer noch ganz langsam auf und ab.
    Ein abscheuliches Herz. Es war wichtig, daß seine Tochter keinesfalls mit diesem entsetzlichen Etwas in Berührung kam. Es war gefährlich.
    »Ich fände es das beste, wenn sie solange da bliebe, bis wir beide uns ausgesprochen haben«, sagte er.
    Heidi brach in lautes Schluchzen aus. Er fragte sie, was sie denn habe.
    »Du«, kreischte sie. »Du bist auf einmal so kalt.«
    »Ich werde schon wieder warm werden«, sagte er. »Mach dir keine Sorgen.«
    Er hörte, wie sie die Tränen hinunterschluckte, wie sie sich bemühte, sich wieder in die Gewalt zu bekommen. Er wartete – weder geduldig noch ungeduldig. Er fühlte buchstäblich überhaupt nichts mehr. Das blanke Entsetzen, das ihn gepackt hatte, als ihm klar geworden war, daß das scheußliche Ding auf dem Sitz Ginellis Hand war, das war die letzte, starke Emotion gewesen, zu der er in dieser Nacht noch fähig war. Abgesehen von einem idiotischen Lachanfall, der ihn dann ein bißchen später überfallen hatte.
    »In welcher Verfassung bist du jetzt?«
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