Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fluch der 100 Pforten

Fluch der 100 Pforten

Titel: Fluch der 100 Pforten
Autoren: N Wilson
Vom Netzwerk:
Vielleicht hatte er bloß einen Schock? Henry bekam ja schnell Angst. Dann fiel ihr Blick auf seine Hand. Er hatte eine Wunde in seiner rechten Handfläche. Allerdings blutete sie nicht. Entlang eines etwa fünf Zentimeter langen Schnitts klaffte die Haut auseinander. An den Rändern war sie schwarz. Kleine Blasen waren in der gesamten Handfläche verteilt, und auf der gerade freigelegten unteren Hautschicht im Inneren der Wunde prangten größere.
    Ein Zittern ging durch Henrys Körper. Seine Beine zuckten. Er richtete sich auf, sah Henrietta an und blinzelte.
    Sie blickte finster.
    »Was ist passiert?«, fragte er.

    »Es hat geblitzt«, sagte sie. »Du hast wahrscheinlich einen Schock oder so.«
    »Bin ich getroffen worden?«
    »Nein«, sagte sie und sah auf seine Hand. »Glaube ich jedenfalls nicht.«
    Henry wollte aufstehen. Aber es gelang ihm nicht. Henrietta stützte ihn und jetzt kam er mühsam auf die Beine. Zusammen humpelten sie um die Scheune herum, und während sich der letzte Hagel in Regen verwandelte, näherten sie sich langsam der Rückseite des Hauses.
    Henrys Handwurzelknochen schmerzten. Sein Kopf war bleischwer. Er konnte nur undeutlich sehen und sein Magen rebellierte. Er klammerte sich an Henrietta und sie bewahrte ihn davor, hinzufallen. Wovor sie ihn allerdings nicht bewahren konnte, war, sich übergeben zu müssen.
    Dass er im Haus war, erkannte er daran, dass der Regen aufgehört hatte und Henriettas Stimme neben ihm schrillte.
    »Mom! Dad!«, schrie sie. »Henry ist schlecht!«
    Henry lehnte gegen die Küchenwand. Stimmen und Leute umschwirrten ihn. Seine Augen brannten. Darum schloss er sie und überließ sich vertrauensvoll den Händen, die ihn zogen und führten, ihn trugen und wegbrachten. Er ignorierte all das und war in seinem Kopf allein.
    Allein mit dem Löwenzahn.
     
    Er konnte die Augen nicht öffnen. Sein Hirn hatte keine Lust, es zu versuchen. Und selbst wenn: Seine Augen fühlten sich nicht an, als wollten sie gehorchen. Aber hören konnte er.

    »Frank, ich finde, wir sollten ihn ins Krankenhaus bringen.« Dotty klang verunsichert. »Henrietta meint zwar, der Blitz hätte ihn nicht getroffen, aber was sollte ihn denn sonst so umgehauen haben?«
    Henry fühlte eine raue Hand auf seinem Gesicht. Franks Hand. »Man muss gar nicht selbst getroffen werden. Strom fließt. Der Blitz kann woanders einschlagen und trotzdem einen Weg in deinen Körper finden.«
    »Wir sollten ihn ins Krankenhaus bringen.«
    Henry spürte, wie sein Bett federte, als Frank aufstand. »Lass uns bis morgen warten. Schlafen ist besser als eine Dreiviertelstunde in einem Truck hin und her geworfen zu werden, nur damit uns ein Arzt sagt, er soll sich ausruhen.«
    »Ich finde es ein starkes Stück, dass du ihn neben diesen schrecklichen Fächern schlafen lässt«, murrte Dotty. »Ich kriege von ihnen Gänsehaut. Außerdem war ich noch nie gern hier oben, auch als sie zugegipst waren. Und wo wir gerade von Gips sprechen, Frank …«
    Frank seufzte. »Ach, nun lass doch! Er ist nur noch zwei Wochen hier. Irgendwann werde ich es schon machen.«
    Undeutlich bekam Henry mit, dass seine Tante und sein Onkel die Dachbodentreppe hinuntergingen, und sein Geist zog sich wieder in sich selbst zurück und suchte nach einer Traumlosigkeit, in der es keinen Schmerz gab.
    Stattdessen gingen die Türen auf und neue Stimmen drangen ins Zimmer.
    »Henry.« Wenn man Richard nicht sehen konnte, klang er ziemlich eingebildet. »Solltest du in der Lage sein, mich zu hören – ich bedaure, dass du Schmerzen hast.«

    »Geh mal aus dem Weg, Richard!«, zischte Anastasia. »Ich will seine Hand sehen.«
    Henrys Hand wurde angehoben, ein Stück Verband wurde abgewickelt und Anastasia hielt den Atem an. »So wie es aussieht, tut es bestimmt weh. Hast du gesehen, wie der Blitz wieder aus ihm herausgefahren ist? Er muss wie ein Zauberer ausgesehen haben!«
    »Der Blitz hat ihn nicht getroffen.« Henrietta klang motzig. »Ich habe es genau gesehen. Wir waren absolut gleich nah dran, und ich habe nichts.«
    »Henrietta«, sagte Penelope beschwichtigend. »Ich denke schon, dass er etwas von dem Blitz abbekommen haben muss. Vielleicht nur einen kleinen Seitenstrahl. Aber irgendetwas muss ihn doch an der Hand verletzt haben.«
    Henrietta sog die Luft ein. »Dann hätte ich es gesehen. Wenn ein Lichtstrahl aus seiner Hand gekommen wäre, das hätte ich doch wohl bemerkt.«
    »Ich glaube, du bist bloß neidisch«, meinte Anastasia. »Du
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher