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Fluch der 100 Pforten

Fluch der 100 Pforten

Titel: Fluch der 100 Pforten
Autoren: N Wilson
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wolltest doch immer schon von einem Blitz getroffen oder von einem Tornado in die Luft gewirbelt werden und solche Sachen.«
    »Ich denke, wir sollten Henry jetzt wieder in Ruhe lassen«, meinte Penelope.
    »Ich finde auch, dass ihr ihn in Ruhe lassen solltet«, schnaubte Henrietta.
    »Ich würde gern bei ihm bleiben«, meinte Richard. »Ich könnte heute Nacht hier auf dem Fußboden schlafen.«
    »Verzieh dich, Richard, aber auf der Stelle! Du auch, Anastasia. Und auf Wiedersehen, Penny!«

    Die Tür fiel zu und Henry spürte, dass Henrietta sich neben ihm auf das Bett setzte.
    Sie seufzte. »Machst du bloß Theater, Henry?«
    Henry schluckte und versuchte seine Lippen zu befeuchten. Seine Zunge fühlte sich an, als gehörte sie jemand anderem. Jemandem, der viel größer war als er.
    Bevor er irgendetwas sagen konnte, drückten zwei Daumen gegen seine Lider und schoben sie hoch. Licht und Luft brandeten schmerzhaft in seine Augen.
    »Ahh!« Er versuchte sich aufzusetzen, aber das gelang ihm nur zum Teil. Weil Henrietta seine Augen noch immer offen hielt. Er stieß mit seinem linken Arm gegen sie und sie ließ los und rutschte weg.
    »Du machst Theater«, sagte sie leise. »Zum Glück! Ich bekam es schon mit der Angst zu tun.«
    »Ich mache überhaupt kein Theater«, brachte Henry mühsam hervor. Seine Zunge geriet ihm zwischen die Zähne. Er hielt seine brennenden Augen offen, und allmählich kam Henrietta ins Bild.
    »Du hast dich bloß schlafend gestellt.«
    »Nein«, sagte Henry. »Meine Augen tun weh.«
    Henrietta beugte sich wieder zu ihm und flüsterte: »Hör zu. Es ist alles okay. Alle denken, du wärst vom Blitz getroffen worden. Mom wird nicht den geringsten Verdacht schöpfen. Wir können uns heute Nacht an die Fächer machen.«
    Henry ließ sich zurück aufs Bett fallen und schüttelte den Kopf.
    »Na gut«, meinte Henrietta. »Du kannst dich ja noch ein bisschen ausruhen, und in ein paar Stunden, wenn die anderen
alle schlafen, komme ich und wecke dich. Ich habe Großvaters Schlüssel, und du hast die Kombinationen in seinem Notizbuch. Wir müssen uns ranhalten. Zwei Wochen sind schnell vorbei.«
    Henry schüttelte wieder den Kopf und legte den Arm über die Augen.
    »Wenn sie glauben, dass du so richtig schlimm krank bist, schicken sie dich vielleicht noch früher nach Boston zurück.«
    »Ich mache kein Theater«, sagte Henry. »Bitte geh!«
    Henrietta erhob sich langsam und strich sich die Haare hinter die Ohren. Henry sah ihr unter seinem Arm heraus zu.
    »Bist du wirklich verletzt?«, fragte sie.
    Henry nickte.
    »Dann tut es mir leid«, sagte sie und ging hinaus.
     
    Henry schloss die Augen. Sie brannten trotzdem weiter. Er versuchte gleichmäßig zu atmen und wegzudämmern, aber sein kleines Zimmer bedrückte ihn irgendwie. Es war niemand mehr da, trotzdem hielt die Hitze des Atems der anderen und ihr Schwatzen an.
    Mit einem plötzlichen Ausbruch von Entschlusskraft warf Henry sich herum und setzte sich auf. Seine Handwurzeln brannten, als wenn jemand Salz hineingestreut hätte, und sein Blick verschwamm, weil ihm das Blut aus dem Kopf wich. Er blieb einen Moment auf der Bettkante sitzen und wartete, bis der Schwindel nachließ. Als es soweit war, drückte er die Hände gegen seine Knie und reckte sich stöhnend. Nachdem er sich einigermaßen berappelt hatte, rutschte er vorsichtig zum Fußende seines Bettes.

    Henrietta war wirklich unbeschreiblich. Selbst wenn er nicht vom Blitz getroffen worden wäre – oder was immer es gewesen sein mochte -, hätte er sich nicht so planlos an die Erkundung der Fächer machen wollen. Es gab genau eine Pforte, durch die er schlüpfen wollte, und die führte an den Ort, an dem er in zwei Wochen sein wollte – was auch immer ihn auf der anderen Seite erwartete.
    Er blinzelte mit seinen tränenden Augen und packte den Riegel der Tür nach Badon Hill. Der Riegel glitt zur Seite und die Tür ging auf. Schwer atmend lehnte Henry sich gegen die Fächerwand und wartete darauf, dass die erfrischende Luft herausströmte.
    Aber es passierte nichts. Henry roch nichts weiter als den abgestandenen Mief seiner Dachkammer. Er schob seine Hand vor die Öffnung des Fachs, aber alles blieb warm und windstill. Er griff in das Fach hinein und seine Knöchel stießen gegen ein raues Holzbrett der Rückwand. Es gab kein Moos, keine weiche Erde und auch keine verwirrten Würmer. Nicht den leisesten Hauch eines Windes. Offenbar war das Fach von der anderen Seite aus gereinigt und
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