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Fleisch

Fleisch

Titel: Fleisch
Autoren: Alex Kava
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zwischen die Zähne und die Backe, als würde er Tabak kauen. Der bittere Geschmack machte ihm nichts mehr aus.
    Johnny hatte die Pflanze als „Sally D.“ bezeichnet und ihnen gesagt, dass die Indianer sie als Heilpflanze verwendeten. „Es macht die Nebenhöhlen frei, säubert den Darm, lindert Schmerzen und dämpft das Rauschen im Gehirn“, hatte er ihnen erklärt.
    Trotzdem hatte er letzte Woche auch recht aufgeregt geklungen, während er sie alle das Oxycontin schnupfen ließ, das er zu Pulver zerstoßen hatte. Er hatte nur zwei Pillen aus dem Medizinschrank seiner Mutter entwenden können, und weil sie auf ein Dutzend Leute verteilt worden waren, war nicht ganz die Wirkung eingetreten, die Johnny ihnen versprochen hatte. Aber dennoch, da war er wieder, klang wie der Moderator einer Verkaufssendung, ließ seinen Zauber wirken undbrachte sie dazu, es zu versuchen, in der Hoffnung, sich gut zu fühlen und cool zu sein.
    Es war noch nicht einmal eine Minute her, seit Dawson noch was genommen hatte, doch er fühlte schon die Leichtigkeit in seinem Kopf. Der Kick koppelte ihn von den anderen ab. Er sah zwar, wie sie herumstolperten und lachten und auf den Himmel deuteten, aber es war, als würde er sie von einem anderen Raum aus betrachten, aus einer anderen Zeitzone heraus, wie in Zeitlupe von einer anderen Galaxie. Oder vielleicht in einem riesigen Flachbildfernseher.
    Dawson stellte sich eine Verkaufssendung vor, hörte blödsinnige Rapjingles, die von einem tiefen Bass begleitet wurden, der wummerte, wummerte, wummerte, tief in seinem Schädel. Die Äste der Bäume begannen zu schwingen. Die Stämme vermehrten sich, verdoppelten sich, verdreifachten sich.
    Dann sah er die roten Augen.
    Sie verbargen sich in einem Busch, hinter Kyle und Lucas, genau hinter Amanda.
    Glühende Punkte, die beobachteten und hin und her zuckten.
    Warum sehen die anderen dieses Wesen nicht?
    Dawson öffnete den Mund, um sie zu warnen, aber es kam kein Ton heraus. Er hob seinen Arm, um zu deuten, doch er konnte seine Hand nicht erkennen, gelb und grün, beinahe fluoreszierend in dem blitzenden Stroboskoplicht, das aus den Baumwipfeln kam. Das Licht sprang und wogte, wurde zu Violett und Blau und prasselte durch die Zweige.
    In dem Moment roch Dawson die Hitze. Fast, als hätte jemand ein Bügeleisen zu lange angelassen. Plötzlich wurde der Geruch stärker. Er erinnerte ihn an versengte Hotdogs an einem Lagerfeuer – schwarzes, knuspriges, verbranntes Fleisch. Ihm fiel ein, dass sie gar nichts zum Grillen mitgebracht hatten.
    Als Erstes fühlte er ein Kribbeln. Elektrizität breitete sich aus. Die anderen spürten es auch. Die Ohhs und Ahhs waren verstummt. Stattdessen torkelten alle herum, die Gesichter nach oben gerichtet, die Baumwipfel absuchend.
    Dawson schaute wieder zu dem Gebüsch und suchte die roten Augen. Weg.
    Er drehte den Kopf. Seine Augen scannten die Gegend, seine Blicke schossen hin und her. Er vernahm ein mechanisches Klicken in seinem Kopf, als wären seine Augen zu einer Maschine geworden. Jedes Blinzeln war wie die Blende einer Kamera, auf und zu. Jede Bewegung rief ein Ticken hervor, das in seinem Schädel widerhallte. Seine Nasenflügel blähten sich auf, sogen Luft ein, die seine Lunge zu versengen schien. Einen metallischen Geschmack im Mund.
    Der nächste Lichtblitz zischte vorüber und hinterließ einen Schweif aus Funken.
    Dieses Mal hörte Dawson erstaunte Rufe. Und dann Schmerzensschreie.
    Plötzlich kamen die glühenden roten Augen aus dem Gebüsch. Sie rasten direkt auf Dawson zu, über den Platz hinweg. Ein vermummter Wolf, gleißend, die weißen Zähne gefletscht, Lichtfunken schossen aus seinen ausgestreckten Armen.
    Dawson hob seinen eigenen Arm, zielte mit dem Taser und drückte ab.
    Das Wesen taumelte zurück, fiel und stürzte ins Gebüsch. Glühende Sterne stoben aus einem Bett von Kiefernnadeln heraus. Dawson wartete nicht, bis das Wesen wieder auf die Füße sprang. Er drehte sich um und rannte, zumindest seine Beine taten es. Der Rest von ihm fühlte sich an, als würde er getragen, gestoßen, in den Wald gedrängt von einer Kraft, die viel stärker war als seine eigenen Füße.
    Alles, was er tun konnte, war, die Arme zu heben und das Gesicht vor den Zweigen zu schützen, die an seinen Kleidern zerrten und seine Haut aufrissen. Er konnte nichts sehen. Das Wummern in seinem Schädel übertönte jedes andere Geräusch. Die Blitze hinter ihm waren heiß und hell. Vor ihm die vollkommene
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