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Fleisch

Fleisch

Titel: Fleisch
Autoren: Alex Kava
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Befremdung bemerkt, doch sein Tonfall war höflich wie immer, nicht etwa verteidigend.
    „Ich war mehrmals in Omaha“, hatte sie erwidert. An seinem Lächeln hatte sie abgelesen, dass es ein bisschen so war, als hätte sie auf die Frage, ob sie Little Bighorn, den Schauplatz der berühmten Indianerschlacht, gesehen habe, geantwortet, sie sei einmal im Smithsonian-Museum gewesen.
    „Es dauert neun Stunden, um in Nebraska von Grenze zu Grenze zu fahren“, erklärte er ihr. „Hier wohnen 1,8 Millionen Menschen. Rund eine Million davon lebt in einem Umkreis von fünfzig Meilen um Omaha.“
    Wieder erinnerte Donnys Stimme sie an einen Cowboydichter, und sie hatte nichts gegen den Erdkundeunterricht.
    „Lassen Sie es mich in ein Verhältnis setzen, mit dem Sie etwas anfangen können – ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen.“ Er hielt inne und warf ihr einen Blick zu, um ihr die Gelegenheit zu geben, Protest einzulegen. „Cherry County, ein Stück nordwestlich von uns, ist das größte County in Nebraska. Es hat ungefähr die Größe von Connecticut. Dort leben sechstausendMenschen auf fünftausendsiebenhundert Quadratmeilen – also etwa ein Einwohner pro 2,5 Quadratmeilen.“
    „Und Rinder?“, hatte sie lächelnd wissen wollen.
    „Davon gibt es etwa zehn Mal so viele wie Einwohner.“
    Nun war sie von den sanften Sandhügeln noch mehr fasziniert und fragte sich auf einmal, was sie tun sollte, wenn sie auf Toilette musste. Aber was noch schlimmer war: Donnys Nachhilfe hatte Maggies Theorie bestätigt, dass dieser Einsatz – so wie mehrere zuvor – wieder eine Bestrafung vonseiten ihres Chefs war.
    Vor ungefähr einem Monat hatte Assistant Director Raymond Kunze sie hinunter nach Süd-Florida geschickt, mitten in einen Hurrikan der Kategorie 5. In dem knappen Jahr, in dem er den Posten offiziell innehatte, hatte Kunze sie immer wieder zu aussichtslosen Einsätzen beordert. Gut, vielleicht beruhigte er sich langsam und ersetzte Gefahr nun durch Langeweile. Es war schon so lange her, dass sie einen richtigen Tatort besucht hatte, dass sie schon gar nicht mehr sicher war, ob sie wüsste, was sie zu tun hatte. Würde sie sich überhaupt noch an die übliche Vorgehensweise erinnern? Auch dieser Tatort hier zählte nicht wirklich, außer vielleicht für die Kühe, wenn sie hier schon in der Überzahl waren.
    Während sie weiter durch das Gras stapften, versuchte Maggie, sich auf etwas zu konzentrieren, das jenseits der frischen Temperatur und der drohenden Dunkelheit lag. Sie dachte wieder einmal an die Tatsache, dass es kein Blut gab, und fragte: „Wie ist es mit dem Regen?“
    Fast automatisch schaute sie zurück, wo sich am Himmel Gewitterwolken ballten. Die grauen Wolkenungetüme wurden von dem violetten Licht beleuchtet und sahen dadurch noch unheilvoller aus. Sie drohten das restliche Licht zu verschlucken. Schon ihre bloße Erwähnung brachte Donny dazu, sein Tempo noch zu beschleunigen, und wenn er noch ein bisschen schneller gegangen wäre, hätte Maggie neben ihm herjoggen müssen.
    „Es hat seit voriger Woche nicht geregnet“, antwortete er.
    „Deshalb dachte ich auch, es wäre wichtig für Sie, dass Sie es sich ansehen können, bevor das Gewitter kommt.“
    Sie hatten Donnys Pick-up an einem Feldweg abseits der Hauptverkehrsstraße geparkt, neben einem verlassenen, staubigen schwarzen Transporter. Donny hatte gesagt, dass er den Rancher gebeten habe, sie am Tatort zu treffen, aber es gab hier kein Anzeichen von ihm oder sonst einem Lebewesen. Nicht einmal von Rindern, wie sie lächelnd feststellte.
    Das Auf und Ab der Sanddünen verhinderte den Blick auf die Straße. Maggie erklomm eine hinter Donny und benutzte dieses Mal ihre Hände, um die Balance zu halten. Donny hielt jäh an und wartete oben auf sie. Noch bevor sie ihn erreichte, bemerkte sie den Geruch.
    Donny zeigte hinab in ein Sandloch, das etwa die Größe eines Swimmingpools hatte. Er hatte ihr zuvor schon erklärt, dass Wind und Regen an bestimmten Stellen das Gras weggeschwemmt hätten. Die Löcher wurden immer größer, wenn die Viehzüchter nichts dagegen unternahmen.
    Der Gestank des Todes schlug ihr entgegen. Mitten im Sand lag die verstümmelte Kuh, ihre vier Beine ragten steif in den Himmel. Trotzdem erinnerte dieses Wesen Maggie an nichts, was sie jemals gesehen hatte.

3. KAPITEL
    Auf den ersten Blick kam Maggie die Szenerie vor wie eine archäologische Grabungsstätte, an der ein prähistorisches Tier freigelegt wurde.
    Das
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