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Flehende Leidenschaft

Flehende Leidenschaft

Titel: Flehende Leidenschaft
Autoren: Susan Johnson
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peitschte. In der pechschwarzen Nebelnacht konnte man unmöglich Spuren suchen, geschweige denn, verfolgen.
    So unmöglich, wie man in Harbottle Castle eindringen kann, sagte sich Johnnie. Da das angestrebte Sicherheitsgesetz die Gefahr eines Krieges zwischen England und Schottland heraufbeschwor, hatten die Engländer eine zusätzliche Dragonerkompanie in ihrer Festung stationiert. Deshalb würden die Schotten einen Frontalangriff wagen müssen, um Robbie zu befreien. Doch es war wohl ratsamer, eine List zu ersinnen.
    Langsam wandte sich John Carre, Laird von Ravensby, Oberhaupt der Roxburgh-Carres und elfter Earl von Graden, zu seinen Freunden und Clansmännern. »Wie viele Pferde haben wir verloren?«
    »Acht.«
    »Dann brauchen wir noch welche – und irgend etwas, um Robbie freizukaufen.«
    »Und womit willst du Lord Godfrey an den Verhandlungstisch locken, Johnnie?« fragte ein junger Soldat.
    »Vielleicht kommt es nicht dazu. Wir schicken dem illustren Diener der Königin erst einmal einen Brief, mit der höflichen Bitte um Robbies Freilassung.«
    »Und wenn das nichts nützt?« fragte einer der Männer sarkastisch.
    »Dann bieten wir Godfrey etwas an, das er sicher zu schätzen weiß.«
    »Was denn?« Alle Blicke richteten sich auf den großen, schlanken Adam Carre, der wie ein Freibeuter gekleidet war. Über seiner Lederjacke trug er einen glänzenden Schulterpanzer. Im breiten Gurt steckten immer noch zwei Pistolen, und an der Hüfte hing ein Dolch mit Elfenbeingriff. Sein Jagd-Plaid zeigte die Tarnfarben Grün und Braun. Auch die ledernen Breeches und die gespornten Reitstiefel waren braun wie das Erdreich.
    Ein dünnes Lächeln umspielte Johnnies Lippen. »Wie ich höre, hütet der Engländer seine Tochter wie seinen Augapfel. Seit dem Tod des alten Hotchane Graham ist sie eine steinreiche Witwe, und Godfrey will sie wieder verheiraten – möglichst profitabel.«
    »Aber sie wird streng bewacht«, wandte ein Clansmann ein.
    Jeder wußte, wie gut Harold Godfrey, der Earl von Brusisson, seine kostbare Tochter Elizabeth beschützte. Mit ihren vierundzwanzig Jahren nicht mehr blutjung, würde sie ihrem zweiten Gemahl eine beträchtliche Mitgift bieten. Selbst wenn sie unfruchtbar war – und diese Möglichkeit bestand, da sie in ihrer achtjährigen Ehe keine Kinder geboren hatte –, würde ihr Vermögen diesen Makel wettmachen.
    »Gewiß, sie wird bewacht«, stimmte der junge Laird zu und zog seine feuchten grünen Lederhandschuhe aus.
    Nachdem der wußte, wie er seinen Bruder befreien konnte, hatte sich seine Laune erheblich gebessert. »Aber sie sitzt nicht in einem Verlies von Harbottle Castle, wo zwei Dragonerkompanien stationiert sind. Also sollten wir schon mal überlegen, wie wir Robbies Heimkehr feiern wollen.«
    »Schick zuerst den Brief ab«, schlug sein praktisch veranlagter Vetter Kinmont vor. »Für Spiel und Spaß werden wir immer noch genug Zeit finden.«
    »Natürlich. Wir schreiben dem Schurken einen netten, höflichen Brief, ohne zu erwähnen, daß Robbie widerrechtlich festgenommen wurde.«
    Im Lauf der Jahrzehnte, seit England und Schottland 1603 vereinigt worden waren, hatten die überlegenen englischen Streitkräfte massenweise schottische Renegatenclans verschleppt oder niedergemetzelt und dadurch den Frieden im Grenzland halbwegs gesichert. Später wandte man zivilisiertere Methoden an und verlieh einigen willfährigen Schotten englische Adelstitel und Regierungspensionen. Falls dieser Anreiz seinen Zweck verfehlte, schmachteten die Rebellen hin und wieder im Londoner Tower oder im Tolbooth von Edinburgh. Die widerspenstigsten wurden verbannt oder enthauptet. Aber für Robbies Entführung bestand trotz der kriegerischen Stimmung kein legitimer Grund.
    »Wenn uns Elizabeth Godfrey Graham einen kurzen Besuch abstattet«, fuhr Johnnie grinsend fort, »wäre das eine faire Vergeltung für Robbies Gefangennahme – und auch in finanzieller Hinsicht interessant.«
    »Wann brechen wir auf?« fragte ein junger Heißsporn.
    »Zunächst wird Kinmont einen freundlichen Brief absenden, mit der Bitte um Robbies Freilassung. Den müßte Godfrey morgen nachmittag erhalten. Wir warten drei Tage, danach erforschen wir Lady Grahams tägliche Gewohnheiten.« Johnnie warf die bestickten Lederhandschuhe auf ein Tischchen, zog seine Pistolen aus dem Gurt und wog sie nachdenklich in den Händen, als wollte er den richtigen Zeitpunkt für die Entführung der reichen Witwe abwägen. Dann legte er die Waffen
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