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Flehende Leidenschaft

Flehende Leidenschaft

Titel: Flehende Leidenschaft
Autoren: Susan Johnson
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erreichte den Gipfel seiner Lust.
    Zwei Carre-Clansmänner rannten durch den Korridor im Erdgeschoß und die Treppe hinauf, nahmen immer drei niedrige Stufen auf einmal. Wie rasend schlugen ihre Herzen, als sie den Hintergrund des Westflügels erreichten und die Wendeltreppe des ältesten Turms 1 erklommen. Johnnie hatte zwar erklärt, er dürfe nicht gestört werden. Aber keiner der beiden zögerte, das Gebot zu mißachten.
    Im mittelalterlichen Goldiehouse waren die Decken niedrig, die Gänge schmal, vor Jahrhunderten zu Verteidigungszwecken erbaut. Nur ein Mann konnte durch die Korridore eilen. Und so stürmte einer hinter dem anderen her.
    Für einen kurzen Augenblick konzentrierte sich die ganze Welt auf diese kleine Frau in Johnnies Armen, die so unfaßbare Gefühle entfachte. Wie erstaunlich sie ist, dachte er. Und Mary fand ihn ebenso wundervoll, als sie erschöpft und zufrieden neben ihm lag.
    Plötzlich hörte er Schritte, obwohl er betont hatte, niemand dürfe in seinen Privatbereich eindringen. Ehe die Tür aufflog, fand er gerade noch Zeit, die bestickte Decke über Marys nackten Körper zu werfen.
    »Sie haben Robbie entführt!«
    Wer sie waren, bedurfte keiner näheren Erklärung. Seit tausend Jahren wurden die Roxburgh-Carres vom selben Feind bekämpft. Johnnie sprang aus dem Bett und ergriff seine Waffen, die an einem der vier Pfosten hingen. Während er sich hastig ankleidete und die Frau vergaß, berichteten die beiden Eindringlinge, wie sein Bruder entführt worden war. Die Lederhose, die Stiefel, das Hemd, die lederne Jacke. Dann reichte er seinen Schwertgurt einem Clansmann und lief aus dem Zimmer.
    Erst im Korridor erinnerte er sich an das Mädchen. »Laßt Mary Holm nach Kelso zurückbringen«, befahl er, schloß die Schnallen seiner Jacke und riß seinem Gefolgsmann den Waffengurt aus der Hand. »Gebt ihr einen Geldbeutel und richtet ihr meinen Dank aus. Sind die Pferde gesattelt?«
    »Ja.«
    Rasch schnallte er den Gurt um seine Taille, rückte den Dolch zurecht, zog das Schwert ein wenig aus der Scheide, um zu prüfen, wie fest es darin steckte. »Dieser verdammte Godfrey! Zum Teufel mit den Engländern!« Als sie die Stufen hinabsprangen, fragte er: »Wie lange ist es her?«
    Der unerfreulichen Antwort folgte ein neuer Fluch.

2
    Fünf Stunden später schüttelte er den regennassen Kopf, damit das Wasser nicht in seine Augen rann, und ging in seine Waffenkammer. Müde und niedergeschlagen hängte er den Schwertgurt an einen Wandhaken und begann umherzuwandern.
    Seine durchnäßten Clansmänner folgten ihm, legten ebenfalls die Waffen ab, sanken entkräftet auf Holzbänke und Stühle. Fünf Stunden im Sattel, ein mühsamer Ritt bei elendem Wetter – und sie hatten die englischen Entführer nicht eingeholt. Der Vorsprung war um zwei Stunden zu groß gewesen. Nun wurde Robbie Carre, der jüngere Bruder des Lairds von Ravensby, vermutlich im Harbottle Castle gefangengehalten.
    »Wenn Godfrey ihm auch nur ein Haar krümmt, schicke ich ihn geradewegs in die Hölle«, murmelte Johnnie. Leise klirrten seine Sporen und untermalten die Drohung. Die flackernden Kerzen in den schweren Silberkandelabern warfen ihr Licht auf Johnnies Gesicht und betonten seine markanten Züge. »Oh, diese gottverdammten Engländer! Die nutzen jede Gelegenheit, um einen Schotten in ihre Gewalt zu bringen.«
    Im letzten Jahr hatte sich das schottische Parlament entschieden gegen die Engländer ausgesprochen. Wegen des Krieges auf dem Kontinent und der strittigen Thronfolge durften die Schotten zum erstenmal seit einem Jahrhundert auf ihre Unabhängigkeit hoffen. 2 Zu beiden Seiten der Grenze schlugen die Wellen der Erregung immer höher.
    »Können wir Robbie befreien?« Die schwache Stimme eines jungen Clansmanns faßte die Sorge aller anderen in Worte, denn die englische Verteidigungsbastion in den Middle Marches wurde gut bewacht.
    »Nein, falls man ihn tatsächlich in Harbottle Castle festhält«, erwiderte Johnnie tonlos und blieb vor einem der neoklassischen Fenster stehen, die sein Vater hatte einbauen lassen, nachdem er 1679 mit den Douglas aus Ferrara zurückgekehrt war.
    Drückendes Schweigen erfüllte den Raum. Die Waffen in den Wandgestellen, die Tartschen – mittelalterliche Schilde –, die Säbel mit den Korbgriffen, die Musketen und Pistolen schimmerten herausfordernd, als wollten sie den Laird verhöhnen.
    Wie Walkürengeschrei klang das Heulen des Windes, der Regentropfen gegen die Fensterscheiben
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