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Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag

Titel: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag
Autoren: Alan Bradley
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sind zusammen unterwegs. Rupert und ich empfinden füreinander … nun, du würdest es wahrscheinlich … ›große Zuneigung‹ nennen. Aber Mann und Frau …?«
    Für wie blöd hielt sie mich eigentlich? Es war noch keine Woche her, dass Daffy mir und Feely laut aus Oliver Twist
vorgelesen hatte, und ich zweifelte nicht im Mindesten daran, dass diese Nialla die Nancy für Rupert Porsons Bill Sikes war. Hatte sie nicht mitgekriegt, dass ich den blauen Fleck an ihrem Oberarm gesehen hatte?
    »Dabei macht es einen Riesenspaß, mit Rupert kreuz und quer durch England zu tuckern! Überall, wo wir hinkommen, kennen ihn die Leute. Erst vorgestern, als wir in Market Selby auftraten, hat uns schon im Postamt eine dicke Frau mit Kapotthut entdeckt.
    ›Rupert Porson!‹, hat sie losgekreischt. ›Rupert Porson geht zur Königlichen Post, genau wie alle gewöhnlichen Menschen auch!‹«
    Nialla lachte.
    »Dann hat sie ihn um ein Autogramm gebeten. Das passiert uns auch fast überall. Sie bestand darauf, dass er ›Liebe Grüße von Snoddy, dem Eichhörnchen‹ draufschrieb. Er malt dann immer noch ein paar Nüsschen dazu. Sie behauptete, das Autogramm sei für ihren Neffen, aber von wegen. Wenn man immer auf Achse ist, entwickelt man einen siebten Sinn für so was. Das merkt man sofort.«
    Jetzt plauderte sie munter drauflos. Wenn ich brav zuhörte, würde es bestimmt keine Minute mehr dauern, bis sie mir vertrauensvoll ihre Unterhosengröße mitteilte.
    »Jemand von der BBC hat Rupert erzählt, dreiundzwanzig Prozent seiner Zuschauer seien kinderlose Hausfrauen. Kommt mir ziemlich viel vor, oder? Aber Das magische Königreich befriedigt eben wunderbar das wohl in jedem vorhandene Verlangen, dem Alltag zu entfliehen. Ja, so hat es der Mann vom Fernsehen ausgedrückt: ›das jedermann innewohnende Bedürfnis, dem Alltag zu entfliehen.‹ Jeder muss doch ab und zu mal flüchten. Auf die eine oder andere Weise, meine ich.«
    »Nur Mutter Gans nicht«, erwiderte ich.
    Sie lachte wieder.

    »Hör mal, ich wollte dich nicht veräppeln. Ich bin wirklich Mutter Gans. Jedenfalls wenn ich mein Kostüm anziehe. Warte nur, bis du es siehst! Ich habe einen hohen Hexenhut mit breiter Krempe und einer silbernen Schnalle dran, eine graue Ringellockenperücke und ein langes Rüschenkleid, das aussieht, als hätte es mal Mutter Shipton gehört. Weißt du, wer Mutter Shipton war?«
    Selbstverständlich wusste ich, wer Mutter Shipton war: eine alte Schachtel, die angeblich im 16. Jahrhundert lebte und in die Zukunft blicken konnte und, unter anderem, die Große Pest, den Großen Brand von London, Flugzeuge, Schlachtschiffe und den Weltuntergang für das Jahr 1881 vorhergesagt hat. Ihre Prophezeiungen waren wie die des Nostradamus in holprigen Knittelversen abgefasst: »Feuer und Wasser werden große Wunder tun« und so weiter. Sogar heute noch laufen Leute frei herum, die daran glauben, die alte Dame habe den Gebrauch von schwerem Wasser zur Herstellung der Atombombe vorausgesagt. Ich glaubte allerdings kein einziges Wort von diesem Riesenblödsinn.
    »Ja, den Namen hab ich schon mal gehört«, antwortete ich. »Ist ja auch egal. So ähnlich sehe ich jedenfalls aus, wenn ich mich für die Vorstellung verkleide.«
    »Ist ja toll«, sagte ich lahm.
    »Was hat ein nettes Mädel wie du überhaupt an einem Ort wie diesem zu suchen?«, fragte sie daraufhin schmunzelnd. Ihre schwungvolle Gebärde umfing den gesamten Friedhof.
    »Ich komme oft zum Nachdenken hierher.«
    Das schien sie zu belustigen. Sie spitzte die Lippen und flötete mit affiger Bühnenstimme: »Und worüber denkt Flavia de Luce auf ihrem malerischen alten Dorffriedhof so nach?«
    »Übers Alleinsein«, gab ich knapp zurück, ohne jedoch unhöflich sein zu wollen. Es entsprach einfach nur der Wahrheit.
    »Übers Alleinsein …« Sie nickte. Immerhin ließ sie sich von der schroffen Antwort nicht abschrecken. »Doch, es spricht
manches für das Alleinsein, Flavia. Aber wir beide wissen ja wohl, dass ›allein sein‹ und ›einsam sein‹ zwei Paar Schuhe sind, stimmt’s?«
    Das klang schon spannender. Mein Gegenüber hatte zumindest über ein paar Dinge nachgedacht, die auch mich beschäftigten.
    »Stimmt«, gab ich zu.
    Ein längeres Schweigen breitete sich aus.
    »Erzähl mir was von deiner Familie«, sagte Nialla schließlich leise.
    »Da gibt’s nicht viel zu erzählen. Ich habe zwei Schwestern, Ophelia und Daphne. Feely ist siebzehn und Daffy dreizehn. Feely spielt Klavier und
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