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Flammenspiel

Flammenspiel

Titel: Flammenspiel
Autoren: Daphne Unruh
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Dunkeln so schwarz aussah. Er wollte immer, dass wir kein Licht anmachten. Vielleicht wusste meine Mutter ja doch nichts von ihm, weil er sich sehr gut am Wohnzimmer vorbeischleichen konnte.
    Der Mann zog eine Packung Schokokekse aus seiner einen Manteltasche hervor. „Willst du?“ Ich nickte und griff sofort zu. Runde, dunkelbraune Doppelkekse mit weißer Füllung. Es war meine Lieblingssorte. Ich mampfte und beachtete die Krümel nicht, die mir auf den Schoß fielen.
    „Willst du noch einen?“, fragte er. Und schon griff ich nach dem nächsten Keks. Ich dachte an das blaue Krümelmonster aus der Sesamstraße und konnte nur zu gut verstehen, dass Kekse seine Lieblingsspeise waren.
    „Und? Kannst du noch zaubern?“, fragte er mich.
    „Ich weiß nicht“, antwortete ich. Er legte die Keksrolle zwischen uns, zog eine Schachtel Streichhölzer aus seiner anderen Manteltasche und zündete eins an. Ich nahm das Streichholz mit der Flamme und ließ es komplett abbrennen, während ich es fest zwischen Daumen und Zeigefinger hielt. Ich schaute zu, wie die Flamme durch meine Fingerspitzen flimmerte, ohne dass ich davon irgendetwas spürte. Erst als das komplett abgebrannte Hölzchen rauchte, gab ich es dem Mann zurück.
    „Und das tat gar nicht weh?“
    „Nein, das tut nicht weh!“, sagte ich stolz und verlangte noch einen Streichholz. Ich hatte keine Ahnung, warum alle immer vor Feuer zurückzuckten. Feuer war doch harmlos.
    Statt mir einen neuen Streichholz zu geben, sah der Mann mich jedoch lange an. Das machte mich nervös. Ich nahm einen großen Kekskrümel auf und zerbröselte ihn zwischen den Fingern, während ich begierig auf die Streichhölzer in seiner Hand starrte. Ich spürte, dass es unser Geheimnis war, mit diesen Streichhölzern zu spielen, denn meine Mutter erlaubte das nie. Da geschah auf einmal etwas Seltsames. Zwischen meinen Fingern fing es plötzlich an zu qualmen.
    „Was machst du da?“, fragte er mich. „Kannst du etwa einen neuen Trick?“ Erschrocken ließ ich all die Krümel aus meiner Hand fallen, aus denen jetzt kleine Flammen züngelten.
    „Wow“, sagte er und ich fühlte mich sofort wieder ermutigt, das gleich nochmal zu versuchen. Ohne zu überlegen oder überhaupt zu fragen, griff ich nach einem weiteren Keks und rieb ihn zwischen den Handflächen. Es zischte kurz, und dann brannte der ganze Keks. Ich hielt ihn auf meinem Handteller und jauchzte. Dann ließ ich ihn einfach fallen und wollte den nächsten. Es störte mich nicht, dass mein Nachthemd und die Bettdecke ein paar Brandlöcher abbekamen. Mir machten die Flammen ja nichts aus. Und dem Mann scheinbar auch nicht. Er war viel lockerer als meine Eltern. Fasziniert sah er mich an.
    Der zweite Keks brannte, und dann der dritte und der vierte. Und dann stand Delia plötzlich in der Tür. Ich strahlte sie an, mitten aus einem kleinen Inferno züngelnder Flammen um mich herum. Sie schrie entsetzt auf, stürzte auf mich zu, packte mich, riss mich hoch, so dass auch ich erschrocken aufschrie, während sie gleichzeitig nach den Flammen schlug und auf meinem Nachthemd herumklopfte. Erst dann registrierte sie, dass ich noch einen brennenden Keks in der Hand hielt und ihn staunend betrachtete. Delia schüttelte mir den Keks aus der Hand und trat ihn am Boden mit ihrem rosa Hauspantoffel aus.
    „Gregor! Gregor!“, rief sie aufgeregt.  Ich blickte mich nach dem schwarzen Mann um, aber er war nirgends mehr zu sehen, als hätte ihn der Erdboden verschluckt. Mein Vater kam herbeigeeilt, löschte die letzten Brandherde auf dem Bett und nahm mich ihr aus dem Arm. Verwirrt sah ich ihn an.
    „Alles in Ordnung, meine Süße?“, wimmerte Delia jetzt. Ich nickte und verstand kein bisschen, warum sie sich so aufregte. Sie zitterte und untersuchte weiter meinen Körper. Mein Vater begutachtete mein Gesicht und meine Arme. Ich hatte keine einzige Brandwunde. Nicht mal eine klitzekleine. Nur mein Nachthemd war völlig mit Brandlöchern übersät. Er legte seine Hand auf Delias Schulter. „Beruhige dich, sie hat sich nichts getan.“
    „Ja, aber das ist es doch gerade, das ist nicht normal! Sie spielt mit Feuer und sie hat keine einzige Brandwunde.“
    Statt ihr zu antworten, sah mein Vater mich jetzt streng an. „Man spielt nicht mit Feuer!“, donnerte er los. „Das ist gefährlich! Du kannst verbrennen und dann bist du mausetot!“ Ich zuckte zusammen und mir kamen ein paar Tränen. Wenn mein Vater schimpfte, kamen mir immer die Tränen.
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