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Flammenpferd

Flammenpferd

Titel: Flammenpferd
Autoren: Susanne Kronenberg
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fortgeschickt. Er war mir mehr als unsympathisch.“
    „Wie sah er aus?“
    Jette überlegte einen Augenblick. „Um die dreißig, schätze ich. Hellblond, und die Haare hatte er auf so eine affige Art ins Gesicht gekämmt. Ziemlich sportliche Figur. Zugegeben, so schlecht sah er gar nicht aus. Vorausgesetzt, man steht auf Protzer.“
    „Bei dir konnte er offenbar nicht landen! Und dann?“
    „Nix und dann. Er ist abgezogen. Zu Fuß! Ich bin sicher, dass er irgendwo seinen Wagen stehen hatte. So einer fährt nicht Bus!“
    Hella fiel der rote Jeep ein, der sie samt Melody beinahe über den Haufen gefahren hätte. War der Fahrer nicht auch hellblond gewesen? Ein protziger Jeep würde zu Jettes Besucher passen. „Stand an der Hauptstraße vielleicht ein roter Jeep?“
    Ein solcher Wagen war Jette nicht aufgefallen. „Wie kommst du darauf? Kennst du den Kerl?“
    „Nein, bestimmt nicht“, erklärte Hella beschwichtigend. „Mach dir seinetwegen keine Gedanken. Grüß die anderen von mir!“
    Doch so leicht, wie sie sich gegenüber Jette gab, nahm sie die Sache nicht. Was mochte der Blonde auf dem Hof suchen? Hatte er sich vielleicht nicht nur in die Scheune, sondern auch ins Haus geschlichen? Du siehst Gespenster, versuchte sie sich zu beruhigen, und ging in das Speisezimmer, in dem nur noch zwei Stühle nebeneinander frei waren. Grinsend pflanzte Swantje sich auf den Platz neben Hella. Was will sie nur von mir, dachte Hella genervt und beschloss, sich nur so knapp wie möglich auf ihr Geschwätz einzulassen.
    Zu Hellas Genugtuung führten Eva und Karin das Wort, während das Hauptgericht, ein Eintopf mit allerlei Sorten Gemüse und Fisch, auf den Tisch kam, und erzählten anschaulich von früheren Reiterreisen und abenteuerlichen Begegnungen mit der Gattung Pferd. Offenbar gönnten sich die Freundinnen seit langem einmal im Jahr einen gemeinsamen Urlaub. Swantje stocherte angespannt im Essen herum und traute sich kaum, einen Bissen in den Mund zu nehmen aus Angst, ihre Chance zu verpassen, wenn Eva oder Karin eine Pause einlegten. Viele Gelegenheiten bekam sie nicht geboten. Und wenn, dann fiel ihr eine der Damen mit einer neuen Anekdote ins Wort. Hella ließ sich das Essen schmecken und stellte fest, dass sich Ina und Robert über diesen Wettbewerb im Stillen ebenso zu amüsieren schienen. Es gab eine Unterbrechung, als Fatima, die ebenso schweigsame wie talentierte Köchin, einen Obstkuchen als Nachtisch auftrug, und die Freundinnen damit beschäftigt zu reden aufhörten.
    Swantje holte Luft und wollte loslegen, als ihr dieses Mal Robert das Wort abschnitt. „Habt ihr gehört: nachher wird Uschi Fadista reiten!“
    Das zu erwartende Schauspiel wollte sich niemand aus der Runde entgehen lassen, auch Hella nicht. Nur Swantje wusste nichts damit anzufangen.
    „Wer ist Fadista?“, fragte sie irritiert.
    „Ein Albtraum in Rot“, erklärte Robert und erlaubte sich ein viel versprechendes Lächeln.
     
     
     
     

7
    Die anderen Mädchen hassten das Land. Sie konnten die Einöde ringsum mitsamt dem Eukalyptus und den Korkeichen nicht ausstehen und wünschten die Langeweile und die Betreuer mit ihren nervenden Forderungen mit gleicher Inbrunst zum Teufel wie sie den Staub und die Hitze im Sommer verabscheuten. Im August ist es am Schlimmsten, meinten sie. Warte nur, bis der Sommer kommt. Kati war seit Weihnachten hier, und seit Silvester hatte es die meiste Zeit geregnet. Der Boden war von Nässe getränkt, und in den Gräben stand das Wasser. Die anderen Mädchen sehnten sich weit fort, aber sie wollte bleiben, auf jeden Fall, bis die Hitze zurückkehrte. Bis es trocken war und die Feuer kamen. Lodernde Flammen, so hoch wie Häuser. Sie konnte es kaum erwarten und schaute im Fernsehen, zur Verwunderung der Betreuer, aufmerksam die portugiesischen Nachrichten.
    An diesem Sonntagnachmittag war es frühlingshaft warm. Der laue Wind streichelte ihre nackten Beine, als sie über die Weiden zum Reiterhof lief. Der Grasboden federte unter ihren bloßen Füßen. Sie lief mit geschmeidigen Schritten und hielt den Atem ruhig und regelmäßig. Stundenlang hätte sie so laufen können. Die anderen Mädchen wären keine zehn Minuten hinterher gekommen. Die waren kaputt, vom Rauchen, vom Spritzen und vom Schlucken. Sie dagegen war gesund und schnell. Sie brauchte keine Drogen. Sie besaß einen stärkeren Verbündeten. Locker trabte sie eine Senke hinab und ebenso leichtfüßig eine Böschung hinauf. Sie lief ihre tägliche
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