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Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)

Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Lars Kepler
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hinabzugehen.
    Sie hätte mich nicht finden dürfen, denkt er erneut. Sie hätte mich nicht kennen dürfen, irgendetwas muss da schiefgegangen sein.
    Joona spricht nie über die Dinge, die zu seiner Einsamkeit geführt haben, aber in seinen Gedanken ist das alles stets gegenwärtig.
    Sein Leben ist verbrannt wie Magnesium, es flammte kurz auf und verwandelte sich in einem einzigen Augenblick von grandiosem Weiß in schwelende Asche.
    Im Aufenthaltsraum steht ein hagerer Mann von etwa achtzig Jahren und starrt auf den grellbunten Bildschirm eines Fernsehers. Es läuft ein Morgenmagazin, in dem ein Fernsehkoch in einer Schmorpfanne Sesamöl erhitzt und über verschiedene Möglichkeiten spricht, dem traditionellen Flusskrebsessen neuen Pfiff zu geben.
    Der alte Mann wendet sich Joona zu und blinzelt.
    »Anders?«, fragt der Mann knarzend. »Bist du das, Anders?«
    »Ich heiße Joona«, antwortet er dem Greis in seinem sanften finnischen Tonfall. »Ich suche Maja Stefanson.«
    Der Mann starrt ihn mit wässrigen, rot unterlaufenen Augen an.
    »Anders, mein Junge, hör zu. Du musst mir helfen, hier wegzukommen. Hier sind überall nur alte Leute.«
    Der Mann schlägt mit seiner dünnen Faust gegen die Sofakante, hört jedoch sofort auf, als eine Krankenschwester das Zimmer betritt.
    »Guten Morgen«, sagt Joona. »Ich bin hier, um Maja Stefanson zu besuchen.«
    »Das ist ja nett«, sagt sie, »aber ich muss Sie warnen, Maja ist mittlerweile sehr dement. Sobald sich ihr die Chance dazu bietet, nimmt sie Reißaus.«
    »Ich verstehe«, erwidert Joona.
    »Im Sommer hat sie es sogar bis Stockholm geschafft.«
    Die Krankenschwester geleitet Joona durch einen frisch geputzten Korridor mit gedämpfter Beleuchtung und öffnet eine Tür.
    »Maja?«, ruft sie mit freundlicher Stimme.

11
    EINE ALTE FRAU macht gerade ihr Bett. Als sie aufschaut, erkennt Joona sie sofort wieder. Diese Frau ist ihm vor der Adolf-Fredriks-Kirche gefolgt. Sie hat ihm die Karten aus dem Kille-Spiel gezeigt und gesagt, sie wolle ihm etwas von Rosa Bergman ausrichten.
    Joonas Herz pocht.
    Sie ist die Einzige, die weiß, wo sich seine Frau und seine Tochter befinden, und sollte eigentlich nichts von seiner Existenz wissen.
    »Rosa Bergman?«, fragt Joona.
    »Ja«, antwortet sie und reckt die Hand in die Höhe wie ein Schulkind.
    »Ich heiße Joona Linna.«
    »Ja«, sagt Rosa Bergman lächelnd und schlurft zu ihm.
    »Sie haben mir einen Gruß ausgerichtet«, sagt er.
    »Mein Lieber, daran kann ich mich leider gar nicht erinnern«, entgegnet Rosa Bergman und setzt sich auf das Sofa.
    Er schluckt hart und macht einen Schritt auf sie zu:
    »Sie haben mich gefragt, warum ich so tun würde, als wäre meine Tochter tot.«
    »Das sollten Sie aber auch wirklich nicht tun«, erklärt sie tadelnd. »Das ist überhaupt nicht nett.«
    »Was wissen Sie über meine Tochter?«, fragt Joona und tritt noch einen Schritt näher an die Frau heran. »Haben Sie etwas von ihr gehört?«
    Sie lächelt nur abwesend, und Joona senkt den Blick. Er versucht, klar zu denken und merkt, dass seine Hände zittern, als er zu der kleinen Kochnische geht und Kaffee in zwei Tassen gießt.
    »Frau Bergman, die Sache ist sehr wichtig für mich«, sagt er langsam und stellt die Tassen auf den Tisch. »Sehr wichtig …«
    Sie blinzelt und fragt anschließend mit ängstlicher Stimme:
    »Wer sind Sie? Ist Mutter etwas zugestoßen?«
    »Frau Bergman, erinnern Sie sich an ein kleines Mädchen namens Lumi? Ihre Mutter hieß Summa, und Sie haben den beiden geholfen zu …«
    Als er dem starren, orientierungslosen Blick der alten Frau begegnet, verstummt Joona.
    »Warum sind Sie zu mir gekommen?«, fragt er, obwohl er bereits weiß, dass es sinnlos ist.
    Rosa Bergman lässt ihre Tasse fallen und fängt an zu weinen. Die Schwester kommt herein und beruhigt sie routiniert.
    »Kommen Sie, ich begleite Sie hinaus«, sagt sie leise zu Joona.
    Gemeinsam gehen Sie durch den behindertengerecht gestalteten Korridor.
    »Wie lange ist sie schon dement?«, erkundigt sich Joona.
    »Bei Maja ist es wirklich schnell gegangen … Die ersten Anzeichen sind uns vorigen Sommer aufgefallen, seit etwa einem Jahr ist sie also … früher hieß es, dass man wieder zum Kind wird, was der Wahrheit bei den meisten Menschen ziemlich nahekommt.«
    »Sollte sie … sollte sie plötzlich wieder klar denken können«, sagt Joona ernst, »wäre es nett, wenn Sie mir Bescheid geben könnten.«
    »Das kommt tatsächlich manchmal
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