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Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)

Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Flammenkinder: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Lars Kepler
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gelaufen. Der alte Fußboden knackt. Rolf bleibt stehen, hakt die Taschenlampe von seinem Gürtel los und leuchtet den Gang hinab. Schnell lässt er den Blick über die handgemalten Sprichwörter und Bibelzitate in verschnörkelter Schrift schweifen und richtet den Lichtkegel anschließend nach unten.
    Unter einer Tür in einer dunklen Nische ist Blut auf den Boden im Flur hinausgelaufen. Der Schlüssel steckt im Schloss. Er nimmt die Taschenlampe vorsichtig in die andere Hand, beugt sich vor und drückt das äußere Ende der Klinke herab.
    Es klickt, die Tür gleitet auf, und die Klinke federt klappernd zurück.
    »Hallo? Miranda? Ich heiße Rolf und bin Polizist«, sagt er in die Stille hinein und tritt näher. »Ich komme jetzt zu dir …«
    Das einzige Geräusch sind seine eigenen Atemzüge.
    Vorsichtig tippt er die Tür auf und lässt den Lichtkegel der Taschenlampe durch das Zimmer huschen. Der Anblick, mit dem er sich konfrontiert sieht, ist so schockierend, dass er zurückwankt und sich am Türpfosten abstützen muss.
    Reflexartig wendet er den Blick ab, aber seine Augen haben bereits gesehen, was er lieber nicht gesehen hätte. Seine Ohren hören das Rauschen des Pulses und den Klang der Tropfen, die in die Lache auf dem Fußboden fallen.
    Auf dem Bett liegt eine junge Frau, aber große Teile ihres Kopfes scheinen zu fehlen. Blut ist auf die Wände gespritzt und tropft noch immer vom dunklen Schirm der Lampe herab.
    Plötzlich fällt hinter ihm die Tür ins Schloss, und er bekommt eine solche Angst, dass er die Taschenlampe fallen lässt. Es wirdstockfinster. Er dreht sich um, tastet blindlings in der Dunkelheit und hört, wie kleine Mädchenhände von außen gegen die Tür hämmern.
    »Jetzt sieht sie dich«, ruft eine helle Stimme. »Jetzt guckt sie!«
    Rolf findet die Klinke und versucht die Tür zu öffnen, aber sie ist blockiert. Der kleine Spion leuchtet ihm in der Dunkelheit entgegen. Mit zitternden Händen presst er die Klinke herab und drückt mit der Schulter gegen die Tür.
    Schlagartig öffnet sie sich, und Rolf stolpert in den Korridor hinaus. Er atmet tief durch. Das kleine rothaarige Mädchen steht ein paar Meter weiter hinten und sieht ihn mit großen Augen an.

9
    KRIMINALKOMMISSAR JOONA LINNA steht am Fenster seines Hotelzimmers in Sveg, vierhundertfünfzig Kilometer nördlich von Stockholm. Das Licht der Morgendämmerung ist kühl und dunstig blau. In den Häusern der Älvgatan brennt nirgendwo Licht. Es wird noch viele Stunden dauern, bis er erfährt, ob er Rosa Bergman gefunden hat.
    Sein hellgraues Hemd ist nicht zugeknöpft und hängt über die schwarze Anzughose, seine blonden Haare sind wie immer zerzaust, und die Pistole liegt in ihrem Schulterhalfter auf dem Bett.
    Trotz wiederholter Anfragen von verschiedenen Expertenteams ist Joona als Kommissar bei der Landeskriminalpolizei geblieben. Weil er seinen eigenen Weg geht, stößt er viele vor den Kopf, aber in weniger als fünfzehn Jahren hat er in Skandinavien mehr schwere Fälle gelöst als jeder andere Polizist.
    Im Sommer ist in der Abteilung für interne Ermittlungen eine Anzeige gegen Joona eingegangen, weil er eine radikale Gruppe linker Extremisten vor einer Razzia des Staatsschutzes gewarnt haben soll. Seither ist Joona von gewissen Aufgaben freigestellt, ohne offiziell suspendiert worden zu sein.
    Der Leiter der Ermittlungen hat deutlich gemacht, dass er den Oberstaatsanwalt bei der obersten Dienstaufsichtsbehörde einschalten wird, sollte er auch nur den geringsten Grund für eine Anklageerhebung finden.
    Die Vorwürfe sind ernst, dennoch kann sich Joona momentannicht damit beschäftigen, dass er eventuell mit einer Suspendierung oder anderen Strafmaßnahmen zu rechnen hat.
    Seine Gedanken kreisen ausschließlich um die alte Frau, die ihm vor der Adolf-Fredriks-Kirche gefolgt war und Grüße von Rosa Bergman ausgerichtet hatte. Mit dünnen Händen hatte sie ihm zwei altertümliche Spielkarten aus einem Kille-Spiel, einem der ältesten Kartenspiele Europas, gezeigt.
    »Das sind Sie, nicht wahr?«, sagte die Frau mit einem fragenden Unterton. »Und hier ist der Kranz, die Brautkrone.«
    »Was wollen Sie?«
    »Ich will nichts«, erwiderte die alte Frau. »Aber ich soll Ihnen etwas von Rosa Bergman ausrichten.«
    Sein Herz begann zu pochen. Dennoch zwang er sich, mit den Schultern zu zucken und freundlich zu erklären, dass es sich um einen Irrtum handeln müsse:
    »Ich kenne nämlich niemanden …«
    »Sie möchte wissen,
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