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Flamingos im Schnee

Flamingos im Schnee

Titel: Flamingos im Schnee
Autoren: Wendy Wunder
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tippte.
    »Willst du den Flamingo nicht bezahlen?«
    Mist , dachte Cam, doch bevor sie »Welcher Flamingo?« sagen konnte, merkte sie es schon. Es fühlte sich an wie Angst, nur stärker. Sie spürte einen kalten Luftzug, und ihr linker Arm begann, heftig zu zittern. Ihr Kopf schien sich mit Luft zu füllen wie ein Ballon. Ein Elektroschock schoss durch ihre Wirbelsäule, ihr wurde schwindelig, und sie verlor das Gleichgewicht. Als wäre sie vom Blitz getroffen worden.
    Dann wurde alles schwarz.

D REI
    Als sie wieder zu sich kam, schweißgebadet und mit hämmernden Kopfschmerzen, hatte sie Mühe, sich zu erinnern, wo sie war und wer in Gottes Namen dieser schnurrbärtige Typ war, der sie durch zentimeterdicke Brillengläser anstarrte. Auf seinem Namensschild stand H ALLO, ICH HEISSE D ARREN.
    »Hallo, ich heiße Cam«, sagte Cam. »Wo bin ich?«
    »Parkplatz vom Dollarladen. Du hast einen Flamingo gestohlen.«
    »Das ist ja wohl noch nicht nachgewiesen«, erwiderte sie, immer noch rücklings auf dem Asphalt liegend. Es war so heiß, dass er schmolz und sie eine kleine Teerblase unter ihren Fingern fühlte, in die sie mit dem Fingernagel hineinstach.
    »Na ja, er ist in deiner Tüte, und du hast keine Quittung.«
    »Haben Sie 911 angerufen?«
    »Ja. Sie sind schon unterwegs.«
    »Okay, Cowboy, dann muss ich jetzt schleunigst abdüsen.« Cam hörte von fern die Sirene näher kommen und verzog schmerzhaft das Gesicht, als sie sich vom Boden aufrappelte. Das würde ein echter Notarzt aus der Stadt sein und nicht die Pseudosanitäter von Disney, die sie mit einem Wisch vom Arzt abwimmeln konnte.
    »Warte mal«, sagte der Filialleiter vom Dollarladen. »Du kannst nicht einfach so abhauen. In dem Zustand darfst du nicht Auto fahren. Du hast eben noch herumgezappelt wie ein Fisch, mit Schaum vorm Mund.«
    »Ja, das kommt vor. Beim nächsten Mal schnapp dir einen Zungenspatel, damit die Betroffene nicht ihre eigene Zunge verschluckt. Was dagegen, wenn ich den Flamingo mit nehme?«
    »Er kostet zwei neunundachtzig.«
    »Oh, Darren, mit dir ist hart feilschen. Wie wär’s, wenn ich ihn mir einfach nehme.«
    Cam packte den Flamingo und warf ihn auf den Rücksitz, ließ den Beetle an und stieß aus der Parklücke. Allmählich gewann sie die Kontrolle über ihre Gliedmaßen zurück, aber sie fühlten sich bleischwer an. Darren hatte Recht, sie sollte wohl besser nicht Auto fahren.
    Sie sah in den Rückspiegel. Darren war noch zu sehr im Schockzustand, um einen ernsthaften Versuch zu machen, sie aufzuhalten. Hoffentlich hatte er sich nicht ihr Kennzeichen gemerkt.
    Auf dem Heimweg fiel ihr ein perfektes neues Zuhause für den Flamingo ein, den sie im Stillen Darren taufte. Sie würde ein Foto von Darren dem Flamingo vor dem Eingang von Celebration, Disneys Retortenort, machen. Die meisten leitenden Angestellten von Disney World wohnten in Celebration, wo es Vorschriften darüber gab, was man anziehen durfte und was man fahren durfte, wie viele Kinder man haben sollte – drei – und ob man ein Haustier halten durfte.
    »Darsteller« wie Cam und rosa Flamingos wie Darren waren dort definitiv nicht eingeplant. Cam knipste Darren vor dem Einfahrtstor von Celebration. Anschließend fuhr sie durch die Anlage, in der alles gespenstisch telegen aussah. Es war, wie in der Kulisse einer Familienserie zu wohnen. Sie fand Alexa Stantons Haus im Föderalistenviertel des Ortes, in dem jedes Heim wie der Wohnsitz eines der Gründerväter gestaltet war, mit gelbem Verputz, schwarzen Fensterläden und herrschaftlichen weißen Säulen.
    Alexa führte die Cheerleadertruppe an und hatte Cam in der Schule nicht ausstehen können, weil Cam clever war und mit Alexas intellektuellem Freund über Politik reden konnte. Sie hatte sie immer wegen ihres Übergewichts aufgezogen.
    Cam warf den Flamingo auf Alexas pingelig gepflegten Rasen, damit sie sich den Kopf darüber zerbrechen sollte. Ein Plastikflamingo. War das ein Zeichen? Wie der Pferdekopf in Der Pate ? Hatte es jemand auf sie abgesehen? Nein, Alexa würde nie so denken, das wusste Cam. Sie würde Darren einfach ignorieren und es dem Gärtner überlassen, ihn wegzuschaffen. Nie im Leben würde sie auf die Anspielung mit dem Film kommen. Nicht jeder war so ein Filmfreak wie Cam – eine Folge stundenlangen Herumsitzens mit einem Schlauch in der Brust, durch den Platin in einen hineintropfte. Bei der Chemo konnte man nichts anderes tun, als Filme gucken.
    Darren fand es furchtbar dort, das merkte
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