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Flamingos im Schnee

Flamingos im Schnee

Titel: Flamingos im Schnee
Autoren: Wendy Wunder
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Angestellten als Ensemblemitglieder, damit der arme Kerl, der die Ballontiere knotet, sich für einen Star hält.«
    Tyler grunzte nur.
    »Wenn man ein Namensschild tragen muss, ist man ein Angestellter«, redete sie weiter.
    »Ich weiß, dass du das Lippenzeug geklaut hast«, sagte er nur und gab ihr die Minzpastillen. Er hatte kräftige Hände mit groben Knöcheln, wirre schwarze Haare und braune Augen mit einem bezaubernden goldenen Sprenkel im linken.
    »Aber du weißt nichts von der Calendulawurzel. Oder den Tampons«, erwiderte sie. Oder dem echten Meerschwamm, den sie in ihren BH gestopft hatte. »Schönen Tag noch.«
    Als sie langsam zum Ausgang ging, dachte sie an eine der Rolf-Szenen im Musical The Sound of Music – die, in der Rolf die gesamte Trapp-Familie hinter dem Grabstein in der Kirche entdeckt und zögert, weil er sich entscheiden muss, ob er Liesl liebt oder nicht, bevor er in diese schlappschwänzige Nazipfeife bläst.
    Liebte dieser Tyler, Teammitglied von Whole Foods, sie, oder würde er sie verpfeifen?
    Er liebte sie.
    Sie war frei, entkam über die Alpen des Parkplatzes in die neutrale, freundliche Schweiz ihres Autos. Sie stieß einen Seufzer aus und wünschte sich für eine Sekunde, in den Alpen zu sein. In Florida zu leben war, als würde man auf der Sonne selbst hausen. Sie sah die Hitze wie ausströmendes Gas vom Asphalt aufsteigen.
    Cam arrangierte ihre Beute vom Biomarkt zu einem Stillleben auf dem Armaturenbrett und schickte Lily ein Foto davon. Dann strich sie Mit Ladendiebstahl im kleinen Stil experimentieren auf ihrer Flamingoliste durch und legte sie zurück ins Handschuhfach. Ihr Handy meldete sich mit Lilys Klingelton. I believe in miracles von den Ramones. Sie hatte ihn ausgesucht, weil sie den Verdacht hegte, dass Lily im Grunde doch an Wunder glaubte, auf eine versteckte, sarkastische Art.
    »Gut gemacht, Holzkopf, hätte ich dir gar nicht zugetraut«, sagte sie, als Cam ranging.
    »Was soll das denn heißen?«
    »Nichts. Du weißt ja, wie du bist.«
    »Wie bin ich denn?« Cam öffnete das Döschen Burts Bienenwachslippenbalsam und schmierte sich etwas davon auf ihren Schmollmund.
    »Na ja, weil du immer so brutal ehrlich und aufrichtig sein musst und immer Recht hast, auch wenn du es total satthast, immer Recht zu haben, weil du weißt, dass dich das unausstehlich macht. Ich dachte, das würde dich daran hindern.«
    »Ich habe heute eine schlechte Nachricht bekommen, Lil.«
    »Wir haben schon öfter schlechte Nachrichten bekommen.«
    Cam schwieg. Sie zog ihre Hulapuppe mit dem Saugnapf vom Armaturenbrett und schwenkte sie hin und her, sodass sie die Augen auf- und zumachte.
    »Das spielt keine Rolle«, fuhr Lily fort. Eine Pause entstand, in der keine etwas sagte. Dann: »Nichts spielt eine Rolle, außer diesen Flamingo zu besorgen.«
    »Okay«, sagte Cam und legte auf. Sie atmete tief ein, was ihr für einen Moment Auftrieb gab. Doch kaum hatte sie wieder ausgeatmet, war es, als würde ihr ganzes Inneres – ihr Magen, der Solarplexus, ihre Kehle – von einem Paar grausamer, starker Fäuste gepackt und zerquetscht.
    Cam fuhr durch Einkaufsstraßen mit rosa und himmelblau gestreiften Markisen, bis sie den Family-Dollar-Laden fand. Leute mit schwarzen Klamotten kauften nicht in diesem Laden ein. Das war geradezu eine eiserne Regel. Hier würde sie auffallen.
    Sie setzte den alten Strohhut ihrer Großmutter mit dem gelben Band auf, um sich einen Farbtupfer zu geben, dazu ihre rote Sonnenbrille. Das Glück wollte es, dass sie auf dem Weg über den Parkplatz eine Plastiktüte von Family Dollar einfangen konnte, die gerade in einem Minitornado davonwirbelte.
    Sie ging auf die Verkaufsstände draußen auf dem Bürgersteig zu und tat so, als würde sie sich für die mit Bleifarben bemalten Plastikprodukte aus China interessieren. Die Flamingos steckten mit der Stange nach unten in einem großen Pappkarton vorm Eingang, rieben ihre Hintern aneinander und starrten mit ihren schwarz lackierten Augen auf die Gartenfackeln, die aufblasbaren Kinderschwimmbecken, Schwimmflügel und Margaritagläser aus Plastik, alles zum halben Preis für die Sommersaison.
    Cam untersuchte einen der Vögel eingehend, als müsste man die Qualität eines Plastikflamingos vorher genau prü-fen. Dann stopfte sie ihn schnell kopfüber in die Family-Dollar-Tüte, erstickte ihn quasi und schaffte es bis zurück zu ihrem Auto. Sie kramte gerade nach dem Schlüssel, als ihr jemand auf die Schulter
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