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Flachskopf

Flachskopf

Titel: Flachskopf
Autoren: Ernest Claes
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Flachskopf das zum ersten Mal unter die Augen bekam, hatte er das Blatt gegen das Licht gehalten, in der Hoffnung, daß er auf der anderen Seite vielleicht etwas mehr sehen würde. Wenn sie nach der Schule schwimmen gingen, dann dachten sie an keine Werke der Barmherzigkeit, und ihre Mütze wurde öfters als Badehose verwendet. Und als Flachskopf noch zu den Schwestern in die Schule ging, war eines Tages die kleine Alice vom Bäcker auf dem Spielplatz, gerade vor ihm, Hals über Kopf hingefallen. Da hatte Flachskopf wie ein Wahnsinniger gelacht und gerufen: »Es blitzt !« , während die kleine Alice mit der Schürze vor den Augen, unter fürchterlichem Schreien zur Schwester gelaufen war und gesagt hatte, »daß Fla — Flachskopf es ge —gesehen hätte«. Mutter Cint hatte ihn dann allein in das Schulzimmer holen lassen, ihn an beiden Ohren gezogen, als ob sie versuchen wollte, wie weit sie überhaupt ausgedehnt werden könnten, hatte fürchterliche Augen gemacht und ihn angeschnauzt, daß er in die Hölle kommen würde. Der Herr Vikar, der gerade die Schule besuchte und über den schlimmen Fall unterrichtet worden war, hatte ihm, da er hoch und heilig behauptete, er hätte die Augen zugekniffen und er wolle auf der Stelle tot umfallen, wenn er etwas gesehen hätte, ein paar empfindliche Hiebe mit der Hundepeitsche versetzt und ihm ebenfalls versichert, daß er bestimmt in die Hölle kommen würde. Aber die Peitschenhiebe fand Flachskopf in diesem Augenblick weit schlimmer als die Hölle und alle ihre Teufel. Und wenn er es später noch blitzen sah, rief er nichts mehr, sondern dachte sich sein Teil dabei. — Die Fremden beherbergen, — wahrscheinlich damit sie eine tüchtige Zeche machen und ihr Geld loswerden. Die Kranken besuchen, — das machte der Pfarrer jedes Jahr um Ostern herum, und dann sagte er am Sonntag vorher von der Kanzel herab, daß die Leute vor den Häusern Sand streuen und brennende Kerzen vor die Fenster stellen sollten, wo Unser Herrgott vorbeikäme. — Die Gefangenen erlösen, — bei diesem Werk der Barmherzigkeit blickte Flachskopf sinnend vor sich hin, ohne zu begreifen. — Die Toten begraben, — das machte in Sichem der rothaarige Tiel, der Ohrringe trug und in der Prozession mit der Fahne voranging.
    Das waren die sieben Punkte, die der Schuljugend die christliche Barmherzigkeit beibringen sollten, und das Auswendiglernen dieser unbegriffenen Dinge sollte aus Flachskopf eines Tages einen rechtgläubigen Christen machen!
    Am Bahnhof machte Flachskopf den Katechismus zu, es nützte doch nichts.
    »He! Flachskopf!«
    Flachskopf blickte überrascht um sich und sah einen Herrn mit einem braunen Reisekoffer in der Hand vom Bahnhof her auf sich zukommen.
    »Flachskopf, wohnst du in Sichem ?«
    Flachskopf betrachtete den Fremden vom Kopf bis zu den Füßen und fragte dann:
    »Woher wissen Sie, daß ich Flachskopf heiße ?«
    »Hab ich mir gedacht«, sagte der Fremde lachend, »sag mal, wo wohnt hier in Sichem Friedrich Swinnen ?« Flachskopf überlegte. Friedrich Swinnen war ihm nicht bekannt... Er kannte nur Marcel Swinnen von der Schule her, und der war der Sohn vom dicken Fritz. »Haben die einen Marcel ?«
    »Weiß ich nicht — warum denn ?«
    »Marcel vom dicken Fritz sitzt bei uns in der Schule auf der ersten Bank, und der heißt Marcel Swinnen .«
    »Und was macht sein Vater ?«
    »Der dicke Fritz?«
    »Ja, der dicke Fritz.«
    »Der ist schon lange tot .«
    »Ja, ja, aber was machen sie zu Hause, bei diesem Marcel Swinnen ?«
    »Die haben einen Laden mit Hemden und Unterhosen und so allerlei Kram .«
    »Die meine ich ja gerade, wo wohnen die ?«
    Flachskopf guckte einen Augenblick in den Himmel; er wollte sich für den »Flachskopf« rächen.
    »Sind Sie noch nie in Sichem gewesen ?«
    »Nein, mein Junge, ich komme zum ersten Mal hierher !«
    »Nun !« und Flachskopf zeigte den Weg zurück, wo er selbst hergekommen war, »sehen Sie die Häuser dort?«
    »Ja... aber wohnt dieser dicke Fritz außerhalb des Dorfes ?«
    »Ja gewiß, sehen Sie das Haus mit dem weißen Giebel ?«
    »Ja.«
    »Da ist es nicht; aber das Haus davor, mit dem roten Ziegeldach, da ist es .«
    »Gut, mein Junge, danke auch schön .«
    Der Fremde drehte sich um und entfernte sich hastig in der Richtung nach Averbode.
    Flachskopf schmunzelte vor Vergnügen und blickte ihm noch eine Weile nach. Er hätte gern dabei sein mögen, wenn dieser Geck beim Schmied eintrat, um seine zornige Miene zu sehen.
    Auf dem
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