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Fix und forty: Roman (German Edition)

Fix und forty: Roman (German Edition)

Titel: Fix und forty: Roman (German Edition)
Autoren: Rhoda Janzen
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zufolge war die Hexe aufgrund ihrer einvernehmlichen unnatürlichen Stillaktivität eine »kaltherzige Mama«, der man eine Nadel durch die Hexenzitze stoßen konnte, ohne dass sie mit der Wimper zuckte. Daher der englische Ausdruck »cold as a witch’s tit« .
    Nicht dass ein Mennonit diesen Ausdruck je in den Mund nehmen würde. Wir haben mit Hexen nichts zu schaffen. Allerdings schließen wir ihre Existenz nicht völlig aus. Wenn Satan, Geisterbeschwörungen oder Hexenzitzen in einem Gespräch Erwähnung finden, wie es unweigerlich vorkommt, nickt ein Mennonit und murmelt finster: »Es gibt Mächte und Gewalten!« Diese Behauptung geht über Umwege auf Römer 8 : 38 zurück, und ich habe sie immer ungefähr so verstanden: »Als frommer Mennonit glaube ich an das verkörperte Böse sowie an die Hölle im buchstäblichen Sinn, die Höllenstrafe und so weiter, aber ich spreche das Wort Satan lieber nicht laut aus, weil ich nicht wie ein Fall für die Psychiatrie klingen will.« Nachdem also unser Mennonit nämliche Mächte und Gewalten erwähnt hat, wird er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit versuchen, das Gespräch zurück in harmlosere, satansfreie Bahnen zu lenken. »Es gibt Mächte und Gewalten« ist die mennonitische Version von »Es ist, wie es ist« – eine höfliche Art, seinem Gegenüber zu signalisieren, dass man zuhört, aber lieber das Thema wechseln möchte.
    Der aufmerksame Leser mag nachhaken: »Aber wie stehen die Mennoniten zu Zitzen?« Gute Frage. Dieser Leser hat wirklich gut aufgepasst! Tatsächlich sprechen die Mennoniten weder über Zitzen noch über Brüste, sie haben offiziell nicht einmal welche. Daher mussten sich Mennoniten im siebzehnten Jahrhundert bei den Prozessen gegen Häretiker auch keinen Leibesvisitationen unterziehen. In ihrem Fall gab es keine Zitzensuche. Bei den Wiedertäufer-Prozessen lief es eher so ab:
BÜRGER ODER MAGISTRAT: Aganetha Janzen, gestehst du, dass du gegen die Säuglingstaufe bist?
AGANETHA JANZEN: Ja.
BÜRGER ODER MAGISTRAT: Dann verurteile ich dich hiermit zum Tod auf dem Scheiterhaufen. Und falls du dabei Gott Lob singst, muss ich dir einen Eisenpflock durch die Zunge treiben.
AGANETHA JANZEN: Okay.
    Ich kann nicht für die Hexen sprechen, aber die Wiedertäufer waren so wild darauf, für ihren Glauben zu sterben, dass sie sich sogar weigerten, das optionale Säckchen Schießpulver anzunehmen, dass den meisten Märtyrern als kleine Aufmerksamkeit angeboten wurde. Man band es sich oben ans Schienbein, damit das Sterben in null Komma nichts erledigt wäre. Sobald einem die Flammen bis zum Knie schlugen, machte es WUMM. Doch die mennonitischen Märtyrer winkten nur ab. Sie wollten leiden, mit der Begründung, dass die Schmerzen Jesu Christi am Kreuz uns allen als leuchtendes Beispiel dienten.
    Doch bevor auch der letzte Mennonit in Westeuropa auf diese spektakuläre Art vor seinen Schöpfer treten musste, rettete Russlands Katharina die Große das mennonitische Volk, indem sie es im Jahr 1789 einlud, ihre schwächste Grenzregion zu besiedeln, die heutige Ukraine. Sie kamen, sie sahen, sie pflanzten. 1817 knieten sie sich unter der Führung meines Lieblingsdiktators ins Geschäft, des mennonitischen Zaristen Johann Cornies. Ich habe den 10 000 Hektar großen Pachtbesitz und seinen ukrainischen Modell-Bauernhof Juschanlee selbst besichtigt. Obwohl Johann Cornies seit 160 Jahren tot ist, lebt seine Leidenschaft für Mikro-Management weiter. Johann Cornies setzte eine große Vielfalt landwirtschaftlicher Innovationen durch und erließ erschreckend konkrete Gesetze. Zum Beispiel schrieb er die Farbe der Häuser vor – nicht nur die von öffentlichen Gebäuden wie Schulen und Kirchen, sondern auch die der Häuser, in denen die Bürger wohnten. Manche nennen ihn deswegen einen Pionier und Visionär. Na gut, vielleicht bin ich die Einzige. Was für Innovationen! Welch schöne Farben, und wie resistent sie waren! Merinoschafe, Tierhaltung und Seidenwürmer für alle! Außerdem war er es, der die Kartoffel ins russische Klima eingeführt hat.
    Johann Cornies führte die mennonitischen Kolonien mit eiserner Faust im verschwitzten Handschuh. Von 1830 bis 1848 hielt der alte Johann die Zügel immer fester in der Hand, und seine Gesetze kreisten immer obsessiver um Lebensführung, Hygiene und Rituale. Er richtete »Modelldörfer« für Problemnachbarn wie Russen und Juden ein. Sein Judenplan – das jüdische Modell- Schtetl – gefiel ihm so gut, dass er
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