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Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote

Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote
Autoren: Robin Hobb
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stürzen und mich, um seinen Triumph voll auszukosten, töten wollte. Ich kann es nicht ertragen, dass er mich zittern sieht oder in Krämpfen zu Boden fallen. Ich will ihn nicht lächeln sehen über das Wrack, das er aus mir gemacht hat. Ich will nicht Zeuge sein, wie er seinen Triumph auskostet. Und er wird erneut versuchen, mich zu ermorden. Wir beide wissen das. Vielleicht hat er eingesehen, dass er Veritas nicht gewachsen ist, vielleicht respektiert er die Stellung seines Bruders und dessen junger Gemahlin. Doch ich bezweifle, dass er, was mich betrifft, anderen Sinnes geworden ist. Ich bin für ihn eine weitere Möglichkeit, Veritas zu treffen. Und wenn er dann zu mir kommt, was werde ich tun können? Beim Feuer sitzen wie ein hilfloser Greis, unfähig zur Gegenwehr. Nichts werde ich tun können! Alles, was mir beigebracht wurde, von Hod der Umgang mit Waffen, von Fedwren der Umgang mit Tinte, Feder und Papier, sogar was ich bei dir über die Pflege der Tiere gelernt habe - alles vergebens! Ich bin zu nichts mehr fähig. Ich bin wieder der nichtsnutzige Bastard von früher, Burrich. Und jemand hat mir einmal gesagt, ein königlicher Bastard bleibt nur so lange am Leben, wie er zu etwas nutze ist.« Die letzten Worte schleuderte ich ihm fast schreiend entgegen, doch selbst in meiner Wut und Verzweiflung erwähnte ich ihm gegenüber nichts von Chade und meiner Ausbildung zum Meuchelmörder. Denn auch dafür war ich nicht mehr zu gebrauchen. Die Kunst, sich lautlos zu bewegen, all die Taschenspielertricks, die vielfältigen Tötungsmethoden, die sorgfältige Zubereitung von Giften - all das war mir nun durch die erbärmliche Schwäche meines Körpers versagt.
    Burrich hörte mir schweigend und bis zum Ende zu. Als das Strohfeuer meines verzweifelten Ausbruchs dann erloschen war und ich nach Atem ringend die Hände ineinander verkrampfte, um ihr Zittern zu unterdrücken, ergriff er das Wort.
    »Nun gut. Soll das heißen, wir gehen nicht nach Bocksburg zurück?«
    Ich war schlagartig ernüchtert. »Wir?«
    »Mein Leben gehört dem Mann, der den Ohrring trägt. Da hinter steckt eine lange Geschichte, die ich dir vielleicht irgendwann einmal erzählen werde. Philia hatte kein Recht, ihn dir zu schenken; ich dachte, er wäre mit Prinz Chivalric begraben worden. Sie hielt ihn vielleicht nur für ein Beliebiges Schmuckstück aus dem Besitz ihres Mannes, über das sie nach Belieben verfügen konnte. Wie auch immer, du trägst ihn jetzt. Wohin du gehst, ich folge dir.«
    Verwirrt hob ich die Hand zu dem Ring an meinem Ohr. Es war ein kleiner blauer Stein, eingeflochten in einem Netz aus Silberdraht. Ich machte mich daran, ihn abzunehmen.
    »Tu das nicht«, sagte Burrich. Er sprach diese Worte mit ruhiger, tiefer Stimme, aber der Tonfall enthielt sowohl eine Drohung als auch einen Befehl. Ich ließ die Hand sinken und verzichtete darauf, ihn nach weiteren Gründen zu fragen. Es erschien mir doch sehr merkwürdig, dass der Mann, der seit meiner Kindheit über mich gewacht hatte, nun seine Zukunft gerade in meine Hände legte. Und doch saß er da vor dem Kamin und wartete auf eine Entscheidung von mir. Ich betrachtete ihn im flackernden Feuerschein. Früher war er für mich ein unwirscher Riese gewesen, düster und furchteinflößend, aber auch ein starker Beschützer. Jetzt, vielleicht zum ersten Mal, sah ich ihn als Menschen und als Mann. Dunkles Haar und dunkle Augen waren das Merkmal des Geblüts der Outislander, darin ähnelten wir uns beide. Doch seine Augen waren braun, nicht schwarz, und wenn der Wind seine Wangen über dem krausen Bart erröten ließ, dann verriet sich der hellhäutige Vorfahre irgendwo in seiner Ahnenreihe. Beim Gehen hinkte er - an kalten Tagen besonders stark. das war ein Andenken an einen blindwütigen Keiler, den er auf sich gelenkt hatte, um Chivalric zu retten. Er war auch nicht so groß, wie es mir als Kind erschienen war. Wenn ich selbst weiter so in die Höhe schoss wie bisher, konnte ich damit rechnen, ihm bald über den Kopf zu wachsen. Seine Gestalt wirkte gar nicht so sehr muskulös, doch vermittelte er einen Eindruck geballter und konzentrierter Kraft, was das Ergebnis aus der ständigen Wachsamkeit sowohl seines Körpers als auch seines Geistes war. Nicht wegen seiner Größe hatte man ihn in Bocksburg gefürchtet und respektiert, sondern wegen seines hitzigen Jähzorns und seiner ungeheuren Zähigkeit. Einmal, ich war noch klein, fragte ich ihn, ob er je einen Kampf verloren hätte.
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