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Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote

Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote
Autoren: Robin Hobb
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an den ich mich hätte wenden können, ging ich zu ihr. Zu spät. An dem Nachmittag, als ich mich mit Geschenken in der Hand der Kerzenzieherei in Burgstadt näherte, kam ich gerade noch recht, um sie weggehen zu sehen. Sie war nicht allein. Bei ihr war Jade, ein gutaussehender breitschultriger Seemann, den ein kühner Ring in einem Ohr schmückte und die selbstsichere Männlichkeit der Jahre, die er mir voraus hatte. Wie ein geprügelter Hund schlich ich unbemerkt davon und schaute ihnen nach, wie sie Arm in Arm die Straße hinunterschlenderten. Ich ließ Molly gehen, und in den Monaten darauf versuchte ich mich zu überzeugen, sie wäre nicht nur aus meinem Leben, sondern auch aus meinem Herzen verschwunden. Bis heute frage ich mich, ob ich ihnen hätte nachlaufen sollen, sie um ein letztes Wort bitten. Merkwürdig, wenn man bedenkt, dass vieles nur durch den fehlgeleiteten Stolz eines Knaben so gekommen ist, wie es kam, und durch seine zur zweiten Natur gewordene Hinnahme von Niederlagen. Ich verbannte sie aus meinem Gedanken und sprach mit niemandem über sie, und das Leben ging weiter.
    Als König Listenreichs Assassine schloss ich mich der großen Karawane an, die von Bocksburg aufbrach, um bei der Vermählung zwischen der Bergprinzessin Kettricken und Prinz Veritas anwesend zu sein. Meine Mission bestand darin, unauffällig den Tod ihres älteren Bruders Prinz Rurisk herbeizuführen, ohne Verdacht zu erregen selbstverständlich, so dass sie die einzige Thronerbin sein würde. Doch was ich nach meiner Ankunft vorfand, war ein Netz von Täuschungen und Lügen, gesponnen von meinem jüngsten Onkel, Prinz Edel, der hoffte, Veritas von seinem Platz in der Thronfolge zu verdrängen und selbst die Prinzessin zur Gemahlin nehmen zu können. Mich hatte er als Sündenbock ausersehen, der ihm helfen sollte, sein Ziel zu erreichen. Stattdessen durchkreuzte ich seine Pläne, womit ich seinen Zorn und seine Vergeltung auf mich zog. Dennoch gelang es mir, Prinz Veritas’ Krone und Braut zu retten. Es hatte nichts mit Heldenmut zu tun. Ebenso wenig war es die wohlfeile Rache an jemandem, der mich von Anfang an drangsaliert und verhöhnt hatte. Es war die Tat eines Knaben, der zum Mann wurde und gemäß dem Treueid handelte, den er Jahre zuvor geleistet hatte, bevor er ahnte, was es ihn kosten könnte. Der Preis war mein gesunder junger Körper, ein für mich bis da hin wie selbstverständlich gehaltener Besitz.
    Nachdem ich Edels Verschwörung zerschlagen hatte, war ich noch lange Zeit in dem Bergreich ans Krankenbett gefesselt. Doch endlich kam ein Morgen, an dem ich erwachte und glaubte, meine langwierige Krankheit sei endlich vorüber. Burrich hatte entschieden, ich sei gesund genug, um die lange Heimreise in die Sechs Provinzen antreten zu können. Prinzessin Kettricken war mit ihrem Gefolge schon Wochen zuvor noch bei gutem Wetter nach Bocksburg aufgebrochen. Jetzt lagen die höheren Regionen des Reichs bereits unter einer dicken Schneedecke. Wenn wir Jhaampe nicht bald verließen, waren wir gezwungen, dort zu überwintern.
    An dem besagten Morgen war ich früh aufgestanden und verstaute die letzten Kleinigkeiten in meinem Gepäck, als sich das erste leichte Zittern bemerkbar machte. Ich achtete nicht darauf. Das ist die Aufregung, sagte ich mir, und schließlich hatte ich noch nicht gefrühstückt. Ich zog die Kleider an, mit denen Jonqui uns für die Reise durch die winterlichen Berge zu den Ebenen ausgestattet hatte. Für mich gab es ein langes, rotes, wollenes Hemd, dazu gleichfalls gesteppte Wollhosen, grün, doch am Bund und an den Beinabschlüssen mit roter Stickerei verziert. Die Stiefel aus weichem Leder waren formlos und beinahe sackartig, aber innen gut mit Wolle gefüttert und außen mit Pelz verbrämt. Sie wurden mit langen Riemen an den Füßen verschnürt, was für meine zitternden Finger eine schwierige Aufgabe war. Jonqui hatte uns erklärt, sie eigneten sich vorzüglich für den trockenen Schnee in den Bergen, dürften aber auf keinen Fall nass werden. Es gab einen Spiegel in meinem Zimmer. Im ersten Moment nötigte mein Anblick mir ein Lächeln ab. Nicht einmal König Listenreichs Narr war so buntscheckig gekleidet. Doch über den farbenfrohen Stoffen erschien mein Gesicht schmal und blass, wobei meine dunklen Augen unnatürlich groß wirkten, und mein wegen der langen Bettlägerigkeit kurz geschorenes Haar sträubte sich schwarz und borstig von meinem Kopf. Die Krankheit hatte mich gezeichnet, aber
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