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Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote

Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote
Autoren: Robin Hobb
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die einfachste Entscheidung der Welt. Ein Tausch: dieser Körper gegen jenen. Er leistete ohnehin keine guten Dienste mehr. Gefangen in einem Käfig. Ballast, weshalb sich damit abschleppen? Weshalb überhaupt ein Mensch sein wollen?
    Ich bin hier.
    Ich weiß. Lass uns jagen.
    Und das taten wir.

KAPITEL 33
WOLFSTAGE
    D ie Übung, um sich auf den Mittelpunkt im eigenen Selbst zu konzentrieren, ist einfach. Man hört auf, daran zu denken, was man vorhat zu tun. Man hört auf, daran zu denken, was man gerade getan hat. Schließlich hört man auf, daran zu denken, dass man aufgehört hat, an diese Dinge zu denken. Ist dieser letzte Zustand erreicht, findet man das Jetzt, die Zeit, die unendlich währt und in Wirklichkeit die einzige Zeit ist. An jenem Ort hat man endlich Muße, man selbst zu sein.
     
    Es gibt eine Klarheit im Leben, die man erfährt, wenn man nur jagt und frisst und schläft. Im Grunde genommen braucht niemand mehr als das. Wir durch streiften allein die Flure um Bocksburg - wir, der Wolf -, und wir entbehrten nichts. Wir verlangten nicht nach Rehfleisch, wenn ein Kaninchen uns über den Weg lief, noch neideten wir den Raben ihren Anteil, wenn sie kamen, um an unseren Resten zu picken. Manchmal erinnerten wir uns an eine andere Zeit, ein anderes Sein. Wenn wir es taten, fragten wir uns, was daran so wichtig gewesen war. Wir schlugen kein Wild, was wir nicht fressen konnten, und wir fraßen kein Tier, das wir nicht schlagen konnten. Die Dämmerung, morgens wie abends, war gut für die Jagd. Andere Zeiten waren gut, um zu schlafen. Davon abgesehen, hatte Zeit für uns keine Bedeutung.
    Für Wölfe wie für Hunde ist das Leben kürzer als für Menschen, wenn man es nach Tagen berechnet und danach, wie oft man die Jahreszeiten wechseln sieht. Doch für ein Wolfsjunges sind zwei Jahre das Gleiche wie zwanzig für einen Menschen. Es wächst zu seiner vollen Kraft und Größe heran, es lernt alles, was es braucht, um ein Jäger, ein Teil des Rudels oder ein Anführer zu sein.
    Die Kerze seines Lebens brennt kürzer und heller als die eines Menschen. In zehn Jahren tut er alles, was der Mensch in einer fünf- oder sechsmal so langen Zeitspanne tut. Ein Jahr vergeht für einen Wolf wie das Jahrzehnt für einen Menschen. Die Zeit ist beileibe kein Geizhals, wenn man immer im Jetzt lebt.
    So kannten wir die Nächte und die Tage, den Hunger und die Sättigung. Erfuhren wilde Freuden und Überraschungen wie die, eine Maus zwischen die Vorderzähne zu nehmen, in die Höhe zu schleudern und mit einem Happen hinunterzuschlucken. Das tat so gut. Dann ein Kaninchen aufscheuchen, es verfolgen, während es mit weiten Sätzen und hakenschlagend flieht, sich dann im entscheidenden Augenblick strecken und es in einem Gestöber von Schnee und Fell packen, es schütteln und ihm das Genick brechen. Schließlich das genüßliche Verzehren, ihm den Bauch aufzureißen und mit der Nase durch die dampfenden Eingeweide zu stöbern und da nach das dicke Fleisch der Keulen und das mürbe Knirschen des Rückgrats zu genießen. Auf den vollen Bauch folgt der Schlaf. Und dann das Erwachen, um erneut zu jagen.
    Wir hetzen eine Ricke über einen zugefrorenen Teich. Zwar können wir eine solche Beute nur selten schlagen, aber wir genießen die Jagd. Wenn sie durch das Eis bricht und wir kreisen, kreisen endlos um sie herum, während sie mit den Hufen nach einem Halt scharrt und schließlich wieder herausklettert, dann aber zu erschöpft ist, um unseren Zähnen auszuweichen, die ihre Sehnen durchbeißen, unseren Fängen auszuweichen, die sich um ihre Kehle schließen. Wir schlagen uns den Bauch voll an dem Kadaver, nicht nur ein mal, sondern zweimal. Ein Hagelsturm treibt uns zum Lager. Dann schlafen wir geborgen und zusammengerollt, während der Wind Eisregen und dann Schnee über die Ebene treibt. Wir erwachen in dumpfer Helligkeit, die durch die Schneewehe vor dem Eingang zu uns hereindringt. Wir graben uns nach draußen in den klaren, kalten Tag, der sich eben seinem Ende zuneigt. An der Ricke ist noch Fleisch. Es ist gefroren und liegt rot und süß unter dem Schnee. Was kann Befriedigender sein, als zu wissen, dass Fleisch auf dich wartet?
    Komm.
    Wir zögern. Nein, das Fleisch wartet. Wir traben weiter. Komm jetzt. Komm zu mir, ich habe Fleisch für dich.
    Wir haben schon Fleisch. Und ganz nah.
    Nachtauge. Wandler. Das Herz des Rudels ruft euch.
    Wir verharren erneut. Schütteln uns. Dies ist nicht angenehm. Und was kümmert uns das
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