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Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote

Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote
Autoren: Robin Hobb
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ich sah dieselbe halbdunkle Zelle, dasselbe winzige, vergitterte Guckfenster. In mir fühlte ich einen hohlen, kalten Schmerz, der heimtückischer als Hunger war. Vielleicht war kein Knochen gebrochen, aber in mir war etwas zerrissen. Ich wusste es.
    Du bist wieder in deinem Käfig! rief Nachtauge. Verlass ihn!
    Verlass deinen Körper und komm zu mir!
    Es ist zu spät, flüsterte ich. Lauf weg, lauf weg. Sei nicht Teil von dem, was jetzt geschieht.
    Sind wir nicht Brüder? Verzweiflung packte mich wie das Heulen eines Wolfs.
    Sie waren an meiner Tür, stießen sie auf. Angst packte mich und ließ mich erzittern. Fast hätte ich das Handgelenk zum Mund geführt und das Carryme aus der Manschette gesaugt, aber ich krampfte nur die Faust um das winzige Briefchen mit Wallaces Gift und verbarg den Gedanken daran hinter meinen Barrieren.
    Derselbe Mann mit der Fackel, dieselben beiden Soldaten, derselbe Befehl. »Du da. Hoch mit dir!«
    Ich ließ Brawndys Umhang fallen. Einer der Männer war noch menschlich genug, um bei dem, was er sah, blass zu werden. Die anderen beiden blieben ungerührt. Als ich mich für ihren Geschmack nicht schnell genug bewegte, packte einer mich am Arm und riss mich in die Höhe. Ich konnte einen Aufschrei nicht unterdrücken. Mehr als der Schmerz erschreckte mich ein anderer Gedanke. Wenn ich da bei nicht stark bleiben konnte, wie sollte ich dann die Kraft finden, meine Barrieren gegen Will aufrecht zu erhalten?
    Sie führten mich aus der Zelle und den Gang hinunter. Zu sagen, ich wäre gegangen, wäre übertrieben. Mein zerschundener Körper war vom stundenlangen Liegen auf kaltem Boden hoffnungslos steif geworden. Durch die Schläge waren die Wunden an meinem rechten Unterarm und dem Oberschenkel wieder aufgeplatzt, was eine weitere Nuance im Kaleidoskop meiner Schmerzen darstellte. Der Schmerz war für mich wie die Luft; ich bewegte mich durch ihn hindurch, atmete ihn ein und aus und er schmiegte sich an mich wie eine zweite Haut.
    In der Wachstube angekommen, gab mir jemand einen Stoß, und ich fiel hin. Ich blieb liegen. Wozu die Anstrengung, mich noch einmal hinzusetzen, ich hatte keine Würde mehr zu verlieren. Vielleicht war es sogar gut, wenn sie glaubten, ich hätte nicht mehr die Kraft, mich auf den Beinen zu halten. Solange es mir vergönnt war, wollte ich ruhig daliegen und alles an Kraft bündeln, was ich noch in mir finden konnte. Langsam und mühevoll konzentrierte ich mich auf die Wachen, die ich um mein Bewusstsein herum postieren wollte. Wieder und wieder tastete ich im Nebel der Schmerzen nach den Barrikaden aus Willenskraft, die ich errichtet hatte, verstärkte sie, schloss mich darin ein. Die Mauern meines Verstandes, sie musste ich verteidigen und nicht meinen Körper. Ringsum an den Wänden standen die Soldaten, scharrten mit den Füßen und unterhielten sich mit gedämpften Stimmen, während sie warteten. Ich nahm sie kaum wahr. Meine Welt bestand aus meinen Schmerzen und meinen Barrieren.
    Dann hörte ich das Knarren und spürte den Luftzug einer geöffneten Tür. Edel kam herein. Will folgte ihm, umhüllt von der Aura seiner Gabe, die er mit sich führte wie einen lässig getragenen Umhang. Ich spürte ihn wie nie zuvor einen anderen Menschen. Ohne ihn zu sehen, nahm ich ihn und seine Gestalt wahr, genauso wie die Hitze der Gabe, die in ihm brannte. Er war gefährlich. Edel nahm an, er sei nur ein Werkzeug. Das erfüllte mich insgeheim mit Genugtuung, weil ich wusste, dass Edel nichts von der Gefahr ahnte, die ihm von diesem ›Werkzeug‹ drohte.
    Edel nahm Platz, worauf ihm jemand eilfertig einen kleinen Tisch brachte. Ich hörte, wie eine Flasche geöffnet wurde, und roch den ausgeschenkten Wein. Der Schmerz hatte meine Sinne geschärft. Edel trank. Ich weigerte mich, mir einzugestehen, was ich jetzt für einen einzigen Schluck gegeben hätte.
    »Liebe Güte, sieh ihn dir an. Glaubst du, wir sind zu weit gegangen, Will?« Die sarkastische Belustigung in Edels Stimme verriet mir, dass er sich heute nicht nur mit Wein verwöhnt hatte. Rauchkraut, vielleicht? So früh am Tag? Der Wolf hatte von Morgengrauen gesprochen. Doch unter keinen Umständen würde Edel sich bereits im Morgengrauen aus dem Bett erheben. Etwas stimmte nicht mit meinem Zeitgefühl.
    Will näherte sich langsam und blieb neben mir stehen. Ich rührte mich nicht und war auf alles gefasst. Trotzdem stöhnte ich auf, als er mir die Fußspitze in die Rippen stieß. Fast gleichzeitig ließ er die Gabe
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