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Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote

Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote

Titel: Fitz der Weitseher 2 - Der Schattenbote
Autoren: Robin Hobb
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stäubten Schneekaskaden von den Büschen. Wir hatten gejagt, getötet und wir hatten gefressen. Jeder Hunger war gestillt. In der knisternden Kälte öffnete sich die Nacht uns mit ihrer ganzen Frische und Offenheit. Kein Käfig hielt uns fest, keine Menschen quälten uns. Gemeinsam berauschten wir uns an unserer Freiheit. Wir gingen dorthin, wo die Quelle so stark sprudelte, dass sie fast nie zu fror, und leckten das eiskalte Wasser. Nachtauge schüttelte uns von Kopf bis Schwanz. Dann reckte er witternd die Nase in den Wind.
    Der Morgen kommt.
    Ich weiß, ich will nicht daran denken. Der Morgen, wo das Reich der Träume endet und die Herrschaft der Wirklichkeit wieder beginnt.
    Du musst mit mir kommen.
    Nachtauge, ich bin schon bei dir.
    Nein, du musst ganz zu mir kommen. Du musst loslassen.
    Das Gleiche hatte er mir in dieser Nacht mindestens schon zwanzigmal vorgehalten. Er meinte es ernst, das war nicht zu verkennen. Seine Beharrlichkeit erstaunte mich, es sah Nachtauge nicht ähnlich, an einer Idee festzuhalten, die nichts mit seinem hungrigen Bauch zu tun hatte. Diesmal handelte es sich um etwas, das er und Burrich beschlossen hatten. Ich sollte mit ihm gehen.
    Ich begriff nicht, wie er sich das vorstellte.
    Wieder und wieder hatte ich ihm erklärt, dass ich gefangen war, dass mein Körper - genau wie du damals, weißt du noch? - in einem Käfig gefangen war. Mein Bewusstsein konnte zwar bei ihm sein, für eine gewisse Zeitspanne wenigstens, aber ich konnte nicht einfach so mit ihm gehen, wie er es wollte. Jedes Mal antwortete er, er habe mich verstanden, aber ich verstünde ihn nicht. Nun ging die ganze Diskussion also von vorne los.
    Ich spürte, wie er sich zur Geduld zwang. Du musst mit mir kommen, jetzt. Den ganzen Weg. Bevor sie kommen, um dich zu wecken.
    Ich kann nicht. Mein Körper ist in einem Käfig eingesperrt.
    Lass ihn zurück! forderte er heftig. Lass los!
    Was meinst du?
    Verlass ihn, lass los, komm mit mir.
    Du meinst, sterben? Das Gift schlucken?
    Nur, wenn es nicht anders geht. Aber tu es jetzt, schnell, bevor sie dir noch mehr Schmerzen zufügen können. Lass deinen Körper zurück und komm mit mir. Lass los, du hast es schon ein mal getan. Erinnerst du dich?
    Die Anstrengung, seine Gedankenbilder zu verstehen, brachte mir wieder die Schwäche unserer Verbundenheit zu Bewusstsein. Die Schmerzen meines misshandelten Körpers brachen wieder durch, um mich zu quälen. Irgendwo lag ich steif da vor Kälte und Elend, und jeder Atemzug verursachte einen stechenden Schmerz in meiner Brust. Ich kroch weg von dort und zurück in den starken, gesunden Körper des Wolfs.
    Ja, ja. Lass ihn zurück. Lass los, lass einfach los.
    Plötzlich wurde mir klar, was er von mir wollte. Ich wusste nicht genau, wie ich es anfangen sollte, und ich war mir nicht sicher, ob ich es konnte. Ja, ich erinnerte mich daran, dass ich meinen Körper losgelassen und in seine Obhut gegeben hatte, um dann Stunden später neben Molly aufzuwachen. Doch ich war mir nicht Sicher, wie ich es zu Wege gebracht hatte. Es war auch nicht ganz das selbe gewesen. Der Wolf hatte damals in mir gewacht, während ich auf den tiefsten Grund meines Selbst gesunken war. Diesmal wollte er, dass ich noch einen Schritt weiterging, willentlich das Band zerriss, das meinen Geist und meinen Körper verband. Selbst wenn ich herausfand, wie ich es anstellen musste, war ich mir nicht sicher, ob ich den Willen und die Kraft dazu hatte, es zu tun.
    Leg dich einfach hin und stirb, hatte Burrich zu mir gesagt.
    Ja, das ist richtig. Stirb, wenn es nötig ist, aber komm mit mir.
    Von einer Sekunde zur anderen war mein Entschluss gefasst.
    Vertrauen. Ich musste Burrich vertrauen, dem Wolf vertrauen. Was hatte ich zu verlieren?
    Ich atmete tief ein und bereitete mich vor wie für einen Sprung in kaltes Wasser.
    Nein, nein, lass einfach los.
    Ich versuch’s ja. Ich versuch’s. Was war es noch, das mich in meinem Körper festhielt? Ich atmete langsamer und Befahl meinem Herzen, langsamer zu schlagen. Ich verschloss mich allen Empfindungen von Schmerz, Kälte und Steifheit. Ich entfernte mich zunehmend davon und sank wie schon einmal tief in mich hinein.
    Nein! Nein! heulte Nachtauge verzweifelt. Zu mir! Komm zu mir. Nicht dahin, komm zu mir!
    Aber da waren plötzlich die schweren Schritte draußen und das Stimmengemurmel. Ein Angstschauer überlief mich, und gegen meinen Willen verkroch ich mich tiefer in Brawndys Umhang. Ein Auge öffnete sich einen Spalt, und
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